1121 - Wenn Totenmasken leben...
sah zu, dass er so schnell wie möglich wieder verschwand.
Das Rad hatte der Briefträger gegen die Hauswand gelehnt. Es stand noch unter der vorreichenden Dachkante, als sollte es vor Regenschauern geschützt werden.
Vom Meer her wehte der Wind, und er war kühl geworden, so dass auch Jolanda fröstelte. Das Rad musste verschwinden. Sie wollte es auch nicht im Haus haben, und sie wusste schon, wo sie den Gegenstand verstecken konnte.
Es gab in der Nähe einen kleinen Teich. Er lag recht versteckt und war von sumpfigem Boden umgeben. Nicht viele Menschen besuchten diese Gegend. So konnte sie relativ sicher sein, dass dieses Rad nicht so schnell gefunden wurde.
Die Tasche des Briefträgers war leer. Ihr hatte Sean die letzte Post gebracht.
Sie stieg auf und fuhr los. Es war nicht einfach, sich auf dem weichen Boden zu bewegen. Im Gegensatz zu Sean war sie keine geübte Fahrerin, aber sie kam trotzdem gut voran, nachdem sie eine kleine Steigung überwunden hatte.
Jolanda war allein mit sich und der Natur. Zweige streiften sie an den Schultern oder kratzten über ihre Beine hinweg. Fast unsichtbare Spinnweben hingen in der Luft. Sie glitten hauchzart über ihre Gesichtshaut hinweg, blieben manchmal an den Lippen kleben, so dass die Frau spucken musste.
Die Sonne hatte sich als roter Ball in den Westen verzogen. Über dem Meer stand sie wie das Auge eines einäugigen Riesen, der durch diesen Blick den Tag verabschieden wollte. Bald würde der Ball im Wasser verlöschen.
Der lichte Wald verdichtete sich nicht, aber die Gräser und Farne veränderten sich. Durch den feuchten Boden hatten sie mehr Wachstumskraft erhalten und standen an manchen Stellen wie sich leicht bewegende Peitschenschnüre.
Es war nicht mehr weit bis zum Ziel. Ein Dorado für Insekten aller Art, die Jolandas Gesicht umtanzten und von ihrem Schweiß angezogen wurden, der auf der Haut klebte. Es war für sie ziemlich anstrengend gewesen, den Weg zu fahren. Als die Räder zu tief einsanken, stoppte sie und stieg ab.
Den Rest des Weges schob sie das Rad. Es war noch nicht dämmrig geworden, doch das normale Licht begann sich in dieser Gegend zu verändern. Es gab mehr Schatten, und Zwielicht lag über dem kleinen Tümpel, dessen Oberfläche in einem tiefen Grün schimmerte, das mit braunen Schlieren durchzogen war. Jolanda wusste nicht, wer alles seinen Abfall in diesem kleinen Teich versenkt hatte, sie wusste allerdings, dass Seans Rad schwer genug war, um für immer zu versinken.
An ihren Füßen klebte die Nässe, als sie die letzten Meter zurücklegte. In den Trittstellen sammelte sich brackiges Wasser. So ganz nah kam Jolanda nicht an den Tümpel heran. Die Distanz zum Ufer reichte ihr auch aus.
Das Rad war nicht leicht. Das merkte die Mörderin, als sie es anhob. Sie holte aus und schleuderte es dann auf den Tümpel zu. Es klatschte hinein, und die Oberfläche geriet in Bewegung. Wasserlinsen, Blätter und sogar einige Seerosen wurden zerstört. Wellen schwappten auf und rollten klatschend an das Ufer.
Es gab hier auch Frösche und kleine Fische. Das garstige Quaken hörte Jolanda ebenso wie das schrille Pfeifen der Vögel, die sie aus ihrer Ruhe gerissen hatte.
Das Rad sank nach unten. Die Lenkstange hatte sich beim Wurf etwas gedreht. Sie schaute als letzte hervor, ehe eine weitere Welle heranschwappte und auch diesen Rest überspülte, bevor ihn sich die Tiefe holte.
Jolanda Juffi war zufrieden. Im Haus hatte sie sich noch weniger gut gefühlt. Nun aber konnte sie tief durchatmen, denn sie wusste, dass das Rad nicht mehr auftauchen würde.
Jetzt war der Briefträger wichtig. Auch seine Leiche musste verschwinden, und das noch in der kommenden Nacht. Sie hatte noch keinen Plan, wie es laufen sollte, und sie wusste auch nicht, ob sie den Toten ebenfalls im Teich versenken sollte.
Vielleicht fiel ihr noch etwas Besseres ein. Außerdem gab es noch gewisse Regeln zu beachten, und danach musste auch Jolanda Juffi sich richten.
Es war ihr auf dem Hinweg keiner begegnet, und auch auf dem Rückweg kam ihr niemand entgegen. Sie konnte jeden Schritt beruhigt setzen, lächelte vor sich hin und dachte an die neue Totenmaske, die sich wunderbar in ihre Sammlung einfügen würde. Noch in der nächsten Stunde würde sie dafür sorgen.
Es musste alles bereit und fertig sein, bevor die ersten Gäste bei ihr eintrafen, um einen wunderschönen Herbst zu erleben. Es waren nie viele. Mehr als vier Zimmer vermietete sie nicht, doch wer zu ihr kam, der
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