1121 - Wenn Totenmasken leben...
wusste genau, was er bei ihr hatte. Wenn jemand Ruhe und auch persönliche Betreuung suchte, dann war er bei ihr genau richtig.
Im Haus war es dämmrig geworden. Sie hatte auch kein Licht eingeschaltet und ließ es auch bleiben, als sie einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Jolanda kam in ihrem eigenen Haus auch im Dunkeln zurecht, und sie hatte nie Angst davor gehabt, es zu betreten.
An diesem frühen Abend war das anders. Plötzlich spürte sie ein gewisses Unbehagen, das sie sich nicht erklären konnte. Es musste mit ihrer letzten Tat zu tun haben, aber es war alles okay gewesen.
Sie hatte sich zweimal überzeugt, der Briefträger lebte nicht mehr.
Also konnte er ihr auch nicht gefährlich werden.
Leise schloss sie die Tür. Ein kalter Hauch streifte ihren Körper, obwohl äußerlich kein Grund vorhanden war. Es ging einzig und allein um ihr Gefühl.
Jetzt machte sie Licht. Der Bereich der winzigen Rezeption erhellte sich. Die Tür zum Speisezimmer war geschlossen. Auf der Treppe sah sie ebenfalls keinen Fremden stehen.
Der Weg führte sie in die Küche, denn dort hatte alles begonnen, und dort war es auch beendet worden. Da lag der tote Briefträger, der nun nichts mehr verraten konnte.
Auf Zehenspitzen bewegte sie sich auf die Tür zu, die sie nicht völlig geschlossen hatte. In der Küche war es dunkel. Die zugezogenen Vorhänge sperrten auch das letzte Tageslicht aus.
Jolanda gefiel die Umgebung nicht mehr. Die Tür knarrte leicht, als sie sie aufstieß.
Der erste Schritt in den dunklen Raum, danach der zweite. Die Stille lag wie Blei. Schatten hatten sich ausgebreitet und kamen ihr wie fremde Eindringlinge vor.
Es war kalt geworden. Die Mauern strömten die Kälte ab, und Jolanda fror in ihrem Pailletten-Kleid. Das Klirren der Perlen hörte sie jetzt besonders laut, als sie das Licht einschaltete. In der Küche wurde es hell.
Der Blick fiel auf den Boden, wo der tote Briefträger hätte liegen müssen. Er lag nicht mehr da. Nur die dicken Blutflecken malten sich dort ab!
Jolanda wusste nicht, was sie denken sollte. Sie bezweifelte, dass sich der Tote einfach in Luft aufgelöst hatte.
Jemand musste ihn genommen haben!
Geholt, versteckt. Mein Geheimnis ist verraten worden. Ich stecke in der Falle. Das waren die ersten Ideen, die durch den Kopf der Frau schwirrten, und sie dachte sogar daran, das Haus fluchtartig zu verlassen.
Darauf verzichtete sie, als sie nachzudenken begann. Sie glaubte nicht mehr daran, dass jemand eingedrungen war, um die Leiche abzuholen. Es gab da noch eine andere Möglichkeit, und die kam ihr wahrscheinlicher vor.
Sie hatte vorgehabt, den Boden zu wischen, um die verräterischen Blutspuren zu tilgen, doch davon nahm sie Abstand. Das hatte noch Zeit. Sie drehte sich um und ging wieder auf die Tür zu. In der Küche hielt sie nichts mehr.
Sie schritt auf eine bestimmte Tür zu, die für ihre Gäste im Prinzip tabu war, und öffnete sie, um in den Keller zu gehen. Eine Lampe brauchte sie nicht. Der Keller wurde mit Strom versorgt, auch wenn das Licht nur einen trüben Schein abstrahlte und von schmutzigen Lampen stammte.
Sie blieb am Ende der Holztreppe stehen. Sie bestand aus flachen Bohlen, und dazwischen gab es keinen Halt durch weiteres Holz.
Man konnte also leicht abrutschen.
Sie hielt sich an einem schiefen Geländer aus Eisen fest, ging bis zur Treppenmitte und blieb dort stehen. Ihr war beim Gehen etwas aufgefallen, und sie wollte genauer nachschauen.
Ja, es stimmte. Die dunklen Flecken waren am Morgen noch nicht vorhanden gewesen. Sie erinnerten in ihrem Aussehen an große Tropfen, die beim Aufprall zerplatzt waren.
Jolanda wollte sich nicht bücken um die Flecken zu testen. Sie wusste, dass es Blutstropfen waren, und jetzt war ihr auch klar, wo der Tote steckte.
Er hatte ihn sich geholt!
Der Ärger und die Wut darüber stiegen in ihr hoch und vernebelten beinahe ihren Blick. Damit hatte sie nicht gerechnet, und sie tat etwas, das sie sich eigentlich nicht vorgehabt hatte. Auf dem Absatz machte sie kehrt und ging wieder zurück in die Küche.
Dort hob sie die Totenmaske an. Es war besser, wenn sie den Gegenstand mit in den Keller nahm, denn genau dort sollte die Maske auch ihren Platz finden.
Wieder nahm sie den gleichen Weg. Die Maske hielt sie in ihrer linken Hand.
Wieder öffnete sie die Tür. Wieder ging sie die Stufen hinab. Diesmal aber blieb sie aus einem anderen Grund stehen. Aus der Tiefe des Kellers hallte ihr das irre Gelächter eines
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