1122 - Der Prophet des Teufels
Hügel hineingehen, doch darauf hatten Harry und ich verzichtet.
Stattdessen saßen wir in der kleinen Stadt, die sich im Schatten der Burg ausbreitete. Dort standen nicht nur die schmucken Fachwerkhäuser um einen Platz herum, sie flankierten auch eine Straße mit Lokalen und Geschäften. Das Wetter war zwar nicht sonnig, doch es war warm und auch schwül. So hatten die Wirte Stühle und Tische ins Freie gestellt.
Harry und ich saßen auf der Terrasse eines italienischen Lokals. Es herrschte an diesem Wochentag nicht viel Betrieb, und so war unser Essen sehr schnell serviert worden.
Ich hatte mich für ein Kalbsschnitzel entschieden. Dazu gab es Nudeln mit einer scharfen Soße. Da Harry auch weiterhin seinen Opel fahren wollte, hatte ich mir noch neben der Flasche Wein einen leichten Frascati bestellt.
Ich war wegen seines Falls nach Deutschland gekommen, aber er hatte mich ausgefragt und deshalb erfahren, wie es mir und Suko in der letzten Zeit ergangen war. Er fand es gar nicht gut, mit wem wir uns da angelegt hatten, doch ich konnte nur die Achseln zucken.
»Man kann es sich nicht aussuchen, Harry.«
»Da hast du leider recht. Wird es ein Nachspiel geben?«
»Das ist möglich.«
»Wie würdest du dich dabei fühlen?«
»In meinem Land auf jeden Fall besser. Ich bedauere meinen Freund Abe Douglas, den G-Man.«
»Das mag stimmen.« Ich rührte die Nudeln zusammen, betunkte sie mit Soße und aß sie langsam. Auch das Schnitzel war super gebraten, die gelbgoldene Kruste leuchtete mir entgegen.
Innerlich schüttelte ich den Kopf. Wenn ich daran dachte, in welch einer Idylle wir saßen, dann war das andere, der normale Job so weit, weit weg. Wer hier aß, der musste einfach den Eindruck bekommen, dass es nichts Böses auf der Welt gab. Aber er konnte sich auch leicht täuschen.
Harry hatte sein Glas Wein bereits geleert und trank das noch übrig gebliebene Wasser in kleinen Schlucken. Dabei hielt er die Stirn gekraust wie jemand, der scharf über ein bestimmtes Problem nachdachte und damit noch nicht fertig war.
»Wer kann Priester nur so hassen, John?«
»Was willst du hören?«
»Nichts allgemeines.«
»Eben.«
»Hast du denn keine Idee?«
»Nein, habe ich nicht. Ich bin erst heute am späten Vormittag gelandet und weiß überhaupt nichts über den Fall. Du hast dich schon tiefer reingehängt.«
»Habe ich nicht.«
»Ach! Wie das?«
Er senkte den Blick. »Ich komme nicht weiter. Die schrecklichen Taten sind begangen worden, und damit basta. Ich sehe keine Motive, und es gibt auch keine Zeugen. Nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass wir es tatsächlich mit einer Gestalt der Schwarzen Magie oder einer aus der Hölle zu tun haben.«
»Das musst du auch in deine Rechnung mit einbeziehen.«
»Du hast doch auch den Videofilm gesehen.«
»Ja.«
»War das denn normal?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es kann ein Trick gewesen sein, wie sich der Mann auflöste.«
»Aber der tote Pfarrer war kein Trick, und die beiden anderen Ermordeten waren es auch nicht.«
»Das macht die Sache eben so undurchschaubar.«
»Getötet mit einer Sense, John. Erinnere dich an den Film. Dieser Fremde hat sich plötzlich aufgelöst, so dachten wir. Aber er wurde zu einer anderen Gestalt, und die war mit einer Sense bewaffnet. Außerdem nennt sich nicht jeder der Prophet des Bösen.«
Ich aß das letzte Stück von meinem Schnitzel und spülte den Bissen mit Wein hinunter. Mein Blick fiel auf das Gemäuer der Burg, die am Ende der Straße emporragte. Eine Schulklasse zog durch ein Tor in den Innenhof. Die Kinder gingen einen mit Pflastersteinen ausgelegten Weg hoch.
»Hast du nichts zu sagen, John?«
Ich schüttelte den Kopf. »Der Prophet des Bösen ist mir noch nicht untergekommen. Allerdings ist dieser Name nicht so ungewöhnlich. Man kann ihn fast für jeden Dämon nehmen.«
»Dieser ist etwas Besonderes. Ich zähle ihn auch nicht zu der Gruppe von seltsamen Propheten, die den Leuten am Ende des Jahrhunderts Angst einjagen wollen. Dazu handelt er zu konkret und weiß deshalbgenau, was er tut.«
»Ja, drei tote Priester.«
»Das wird nicht das Ende sein, John. Ich kann es mir vorstellen und werde versuchen, alle Priester zu warnen. Das ist das erste, was wir tun müssen.«
»Alle?«
»Nein, nur diejenigen, die in einem gewissen Umkreis der Tatorte leben.«
»Das bringt mich zu der Frage, wo wir jetzt den Hebel ansetzen sollen, Harry.« Er hatte Glück, dass sich sein Handy meldete, so kam er zunächst
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