1122 - Der Prophet des Teufels
sah nicht mehr, dass hinter ihm das Skelett stand und noch immer die Sense festhielt.
Jetzt allerdings war sie blutverschmiert, und einzelne Schlieren rannen am Metall nach unten.
Das Skelett bewegte sich nicht mehr. Den grauen Knochenkopf hielt es gesenkt und schaute hinab auf die Leiche. Sekundenlang passierte nichts, dann aber stieg wieder die Wolke in die Höhe. Sie kroch aus den Knochen der Gestalt und bildete schon wenige Sekunden später um sie herum einen dichten Vorhang. Die Rückverwandlung setzte ein.
Das Skelett verschwand, dafür kehrte der Prophet wieder zurück.
Der Hut, das Gesicht, der Mantel, der Körper. Nichts erinnerte mehr an den Knöchernen, denn im Flur stand ein normaler Mensch, auch wenn er etwas ungewöhnlich aussah.
Finger griffen in die rechte Tasche des Capes und holten etwas hervor. Es war eine Spielkarte! Sie rutschte aus den Fingern des Mannes, flatterte zu Boden und blieb auf dem toten Körper liegen.
Wer sie anschaute, sah das Skelett!
***
Martha war mit dem Rad nur um die Kirche gefahren. An einem für sie günstigen Ort hatte sie es abgestellt und war dann wieder durch denhinteren Garten zurück zum Haus geeilt. Das kleine Gelände war dicht bewachsen und ermöglichte ihr eine gute Deckung, die sie auch brauchte.
Sie machte sich Sorgen um den Pfarrer. In ihren Augen war er noch so jung und auch lebensunerfahren. Er hätte mehr auf die Warnungen hören sollen, doch er hatte sie einfach in den Wind geschlagen, und das konnte nicht gut gehen.
Martha bezeichnete sich selbst zwar nicht als eine Expertin, doch sie wusste, worauf es ankam. Das Leben lief nie glatt. Es hielt immer wieder böse Überraschungen bereit, und davor war auch ein Mann wie der Pfarrer nicht gefeit.
Martha wusste selbst, dass sie nur eine schwache Frau war. Wenn es hart auf hart kam, konnte sie den Pfarrer nicht beschützen. Vielleicht konnte sie ihm auf eine andere Art und Weise helfen. Sie wollte da nichts ausschließen.
Sie war schnell gelaufen und atemlos. Keuchend durchquerte sie den hinteren Garten mit seinen Bäumen und Büschen.
Ermattet blieb sie stehen und lehnte sich gegen den Stamm eines Birnbaums. Auf dem Gesicht lag der Schweiß. Ihr Herz schlug schnell, und auch mit dem Sehvermögen stand es nicht eben zum besten. Sie rieb ihre Augen, atmete einige Male und war dann davon überzeugt, dass es ihr besser ging.
Ja, auch der Schwindel war verschwunden. Sie konnte sich wieder normal bewegen.
Das Haus lag in der direkten Sichtweite. Vom Mauerwerk war nicht mehr viel zu sehen, weil der dichte Efeubewuchs das meiste verbarg. Sogar in den Bereich einiger Fenster waren die Ranken hineingewachsen, und sie hätten längst abgeschnitten werden müssen.
Aber dafür hatte der Pfarrer nie Zeit. Da war sein Vorgänger anders gewesen. Er hatte den Garten regelrecht geliebt.
Martha gehörte zu den Menschen, die auch neugierig waren. Viele wollten von ihr wissen, was mit dem jungen Pfarrer, der ja gar nicht so schlecht aussah, los war. Ob er vielleicht eine Freundin hatte oder außergewöhnlichen Hobbys nachging.
Sie hatte sich all diese Fragen angehört, gelächelt und auch geschwiegen. Nichts Negatives war über ihre Lippen gedrungen.
Auch wenn der Geistliche etwas Absonderliches getan hätte, nie und nimmer hätte sie ihn verraten. Aber sie selbst wollte immer genau informiert sein, das war auch bei seinem Vorgänger so gewesen.
Jetzt allerdings trieb sie nicht die Neugierde auf das Pfarrhaus zu, sondern die Besorgnis. In der Tat bereitete ihr das Verhalten des Pfarrers große Sorgen. Sie selbst hatte nicht gesehen, was auf dem Friedhof geschehen war, aber sie wusste, dass es passiert war, denn dieser Zeugin glaubte sie. Luise war eine alte Freundin von ihr. Ein paar Jahre jünger zwar, doch sie kannten sich seit ihrer Kindheit. Im Gegensatz zu ihr war Luise noch berufstätig. Noch jetzt sah sie ihr entsetztes Gesicht vor sich, als sie über den Vorgang berichtete.
Martha kannte den Tagesablauf des Pfarrers einigermaßen. Sie wusste, dass er sich um diese Zeit zumeist in seinem Arbeitszimmer aufhielt und an irgendwelchen Papieren arbeitete. Mal an der Predigt, malbeschäftigte er sich mit Dingen, die das Wohl und Wehe der Gemeinde angingen; wichtig war nur, dass er dort saß.
Zumeist ja vor dem Computer, den Martha nicht akzeptierte. Der Vorgänger hatte ihn auch nicht gebraucht, doch die Zeit schritt immer schneller fort, und damit änderte sich auch einiges.
Auf ihren kurzen Beinen lief sie
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