1123 - Der Terror beginnt
zusammen an einen Tisch setzen?«
»Gern, ich habe nichts dagegen.«
Sie rückte einen Hocker weiter und saß jetzt neben mir. »Ich heiße Nora Thorn«, sagte sie und streckte mir die Hand entgegen.
Ich schlug ein. »John Sinclair.«
»Und woher?«
»Aus London.«
»Die Stadt kenne ich gut.« Sie schaute mich an, und jetzt sah ich, daß sie blaue Augen hatte. »In London habe ich mich schon oft aufgehalten. Ansonsten bin ich viel unterwegs. Das bringt der Beruf so mit sich.«
»Darf ich neugierig sein?«
»Fragen Sie schon. Oder lassen Sie es. Ich werde es Ihnen sagen, John. Ich bin so etwas wie ein weiblicher Scout für bestimmte Modefirmen, die Standorte suchen, um dort Geschäfte eröffnen zu können. Also Filialen, mit denen sie irgendwann das Land überziehen wollen. Keine große Mode, dafür bezahlbare.«
»Und? Hatten Sie schon Erfolg?«
»In Lancaster zweimal. Dort gibt es locations, die für die Firma interessant sein könnten. Nicht zu groß, auch nicht zu klein. Genau in der Mitte liegend.«
»Und wie sieht es mit dem Norden aus?« fragte ich.
»Sie meinen Schottland?«
»Ja.«
»Da muß ich noch hin.«
»Welche Städte haben Sie denn dort ins Visier genommen?«
»Natürlich die größten. Wir sind bisher leider nur im Süden der Insel etabliert. Aber das wird sich ändern, davon bin ich überzeugt.«
»Klar, bei Ihrer Power.«
»Ach, hören Sie auf. Das habe ich schon zu oft gehört. Aber es stimmt, man muß sich schon verdammt anstrengen, wenn man am Ball bleiben will.«
Der Keeper fragte nach einer weiteren Bestellung, aber ich lehnte ab. »Erst beim Essen.«
»Sie können schon dort Platz nehmen.«
Ich schaute Nora Thorn an. »Was ist mit Ihnen?«
Sie klopfte auf die Theke. »Ich bin bereit.«
»Gut, gehen wir.«
Daß mir neidische Blicke nachgeworfen wurden, störte mich nicht, es amüsierte mich. Das Gespräch mit Nora Thorn hatte mich von meinen Sorgen abgelenkt, und ich hoffte stark, daß auch das Dinner eine entsprechende Abwechslung bringen würde.
An meinen Tisch paßte auch noch eine zweite Person. Wir saßen dicht neben dem Fenster mit einem guten Blick in den Garten, wo sich die Dunkelheit immer weiter ausgebreitet hatte.
Lichter sahen wir nicht. Der Garten war und blieb dunkel. Bei diesem Wetter hätte man auch draußen sitzen können. Nora suchte noch in der Karte nach und entschied sich für das gleiche Gericht wie ich, obwohl ich es ihr nicht gesagt hatte, was ich bestellt hatte.
»Da haben wir ja den gleichen Geschmack.«
»da, einen guten, John. Darauf werden wir später noch ein Glas Wein trinken.«
Wir hätten es auch zur Pute trinken können, aber wir beide hatten einfach Durst. Und über das Gericht war ich angenehm überrascht. Ich hätte nicht gedacht, daß es mir so gut schmecken würde.
Auch Nora Thorn war zufrieden, und sie erwies sich als eine Frau, die viel herumgekommen war.
Sie erzählte von ihren Reisen, und wie nebenbei erfuhr ich, daß sie 33 Jahre alt war, und in keiner festen Beziehung lebte.
Der Wein, den wir tranken, stammte aus Italien. Er schmeckte uns ebenfalls, nur der Kaffee war nicht so gut, aber da bin ich ja zu sehr durch Glenda verwöhnt.
Die Zeit verging wie im Flug. Ich erzählte ihr noch, daß ich Anwalt war und hatte somit den Beruf meines Vaters übernommen.
»Muß interessant sein.«
»Es geht.«
Nora hob das Glas und schaute mich über den Rand hinweg an. An ihren Augen sah ich, daß sie schon etwas viel getrunken hatte, und auch das Lächeln wirkte irgendwie verklärt. »Irgendwie finde ich es besser, wann man einen festen Arbeitsplatz hat und weiß, wo man hingehört. Ich bin immer unterwegs.« Sie fuhr mit der Zungenspitze über ihre Lippen. »Mal hier, mal dort. Man ist schon bindungslos, und dann muß man immer wieder in Hotels übernachten.«
»Andere haben keine Arbeit.«
Sie nickte schwerfällig. »Stimmt auch, aber die Hetze ist nichts für mich.«
»Wie lange wollen Sie den Job noch machen?«
Sie stellte ihr Glas so heftig ab, daß etwas Wein überschwappte und ihre linke Hand näßte. »Ich weiß es nicht, John. Vielleicht läuft mir noch mal der Märchenprinz über den Weg. Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.« Sie lachte etwas laut. »Hört sich komisch aus meinem Mund an, wie?«
»Jeder hat seine Träume.«
Sie schob die Unterlippe vor. »Und welche Träume haben Sie, John? Ehe?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Familie?«
»Nein.«
»Ha, also auch jemand, der wie ein einsamer Wolf durch das
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