1123 - Der Terror beginnt
denn das Laken fühlte sich klamm an. Es lag nicht daran, daß es durch die Decke geregnet hatte, es war das nicht ganz geschlossene Fenster, durch dessen Spalte sich der Nebel hatte drücken können.
Die Lampe im Vorflur schickte einen etwas verloren wirkenden Schein in das normale Zimmer, und jetzt war ich auch in der Lage, die dünnen Schwaden zu sehen, die durch das Licht trieben. Boden hoch krochen sie weiter. Sie glichen lautlosen Nachtgespenstern, die klammheimlich wie Diebe das Zimmer betreten hatten.
Warum war ich erwacht? Hatte es da einen besonderen Grund gegeben? Es war auch kein normales Erwachen gewesen, das einen Menschen oft mitten in der Nacht überfällt. Dann ist er plötzlich da und denkt, frisch zu sein, aber sein Körper fühlt sich an, als wäre er mit Blei gefüllt. Bei mir stimmte das nicht. Die Schwere des Schlafs hatte meinen Körper verlassen, ich war voll da.
Ich setzte mich hin und grübelte über die Gründe nach, die mich in diesen Zustand hineingetrieben hatten. Es war nicht so gewesen, wie in den vergangenen Nächten. An einen Alptraum konnte ich mich nicht erinnern. Trotzdem mußte es einen Grund gegeben haben, der mich aus dem Schlaf gerissen hatte.
Ich lauschte in die Stille meines Zimmers hinein und hörte einfach nichts. Auch von draußen war nichts zu vernehmen. Die nächtliche Ruhe lag wie eine Decke über dem Land.
Daß ich nervös war, nahm ich hin. Wie auch den Schauer auf meinem Rücken, aber ich fragte mich, warum, zum Henker, ich so plötzlich aus dem Schlaf gerissen worden war. Einfach nur so, oder lag es an meinem Unterbewußtsein, das mir eine Warnung geschickt hatte?
Ich hatte keine Ahnung, aber die Vorgänge der letzten Nächte hatten mich schon mißtrauisch gemacht, und so war ich auf der Hut.
Ungefähr zwei Minuten blieb ich im Bett sitzen und lauschte in die Stille hinein. Aus den anderen Zimmern war nichts zu hören, auch nichts aus den unteren Bereichen des Hotels. Keine Stimmen, keine Musik, die Ruhe kam mir bleiern vor.
Ich stand auf und ging ins Bad. Am Waschbecken klatschte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht, trocknete die Haut ab und spürte auch weiterhin die Gänsehaut auf meinem Rücken. Ich fühlte mich aufgeputscht. Ich hätte jetzt keine Ruhe finden können, auch wenn ich es gewollt hätte Ich war einfach zu nervös.
Etwas konnte, etwas würde passieren. Sehr leise durchwanderte ich das Zimmer. Das Fenster zog ich ganz auf, aber durch den Nebel konnte ich nichts sehen. Seine grauen Schwaden vereinigten sich mit der Dunkelheit zu einer undurchdringlichen Suppe. Und Geräusche wurden von ihm sowieso verschluckt.
Ich stellte das Fenster wieder schräg und zog mich ins Zimmer zurück. Es traf mich wie ein unsichtbarer und dennoch spürbarer Peitschenschlag, als das klingende Geräusch die Stille zerriß. Nur für einen Moment war ich irritiert, dann wußte ich Bescheid, daß sich mein Handy gemeldet hatte.
Es steckte in der Jacke, die ich über die Lehne des einzigen Stuhls gehängt hatte.
Um diese Zeit? Wer rief da an?
Ich holte den flachen Apparat hervor und meldete mich mit einem »Ja…«
Das Lachen klang scharf, so daß ich das kleine Gerät unwillkürlich etwas vom Ohr weghielt. Nach der kurzen Schrecksekunde konzentrierte ich mich auf das Gelächter und versuchte herauszufinden, ob ich es kannte und so herausfand, wer dahintersteckte.
Es endete so abrupt, wie es aufgeklungen war. Aber die flüsternde Stimme bildete ich mir nicht ein.
Auch sie klang neutral, so daß ich keine Chance bekam, herauszufinden, wer sich dahinter verbarg.
Es waren Worte, die mich erschreckten und sie kamen einem Versprechen gleich.
»Keine Angst, ich bin noch da. Ich werde auch nicht gehen. Ich behalte alles unter Kontrolle.« Den Worten folgten ein häßliches Kichern und ihm wiederum ein Geräusch, bei dem sich meine Magenwände zusammenzogen, denn ich kannte es verdammt gut.
Ich hatte es in meinen Alpträumen und in meiner Wohnung gehört. Die unterschiedliche Tonart der verdammten Kettensäge, deren »Stimme« jetzt durch mein Ohr jaulte.
Vorbei. Nichts mehr. Von einem Augenblick zum anderen war die Verbindung unterbrochen. Ich schaltete das Handy wieder aus und steckte es weg. War mir vorhin noch etwas kühl gewesen, so hatte sich dies nun geändert. Auf der Stirn lag der feine Schweißfilm, und auch mein Herz schlug jetzt schneller.
Er war noch da.
Er war auf der Jagd.
Er hatte mich im Visier, doch ich konnte nichts mit ihm anfangen. Trotzdem
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