1123 - Der Terror beginnt
wieder in den Wagen und fuhr das nächste Ziel an.
Es war der Friedhof von Lauder!
Auch hier überkamen mich wieder die Erinnerungen, denn ich mußte an der Stelle der Mauer vorbei, an der meine Eltern verunglückt waren. Danach waren sie von den verfluchten Killern des Lalibela getötet worden, und ich hatte meinen Eltern nicht einmal helfen können, weil ich auf einer Zeitreise gewesen war.
Ich verließ den Wagen und ging auf das Tor zu. Es war sehr ruhig. Ich glaubte nicht, daß ich jemand auf dem Gelände treffen würde.
Die Bäume trugen noch ihre Blätter. Es lag kaum Laub auf den Wegen und Gräbern. Das Tor quietschte, als ich es aufzog und dann den Weg nahm, der mich am schnellsten zu den Gräbern meiner Eltern brachte. Besser gesagt: zum Doppelgrab.
Mich nahm die Einsamkeit des Todes auf. So still war es auch in einer leeren Kirche. Das helle Sonnenlicht machte den Friedhof nicht so dunkel, da es genügend Lücken gab, durch die der Schein fallen konnte. Verschiedene Muster aus Hell und Dunkel malten sich auf dem Boden ab. Flickenteppiche, die zerrissen waren und sich immer wieder veränderten, je weiter die Sonne zog.
Bisher hatte ich keinen anderen Besucher gesehen, obwohl ich mich wirklich genau umgeschaut hatte. Ich war allein, der Friedhof mußte auf mich gewartet haben, und trotzdem fühlte ich mich nicht allein. Da gab es eine Ahnung in mir, daß ich aus einem für mich nicht sichtbaren Bereich unter Kontrolle stand, und dieses Gefühl übertrug ich sofort auf meine Alpträume.
Auch dort hatte mich dieser unheimliche Fremde mit dem Gesicht meines Vaters beobachtet, und ich würde in kurzer Zeit vor seinem Grab stehen. Paradox, Irrsinn, nicht faßbar. Unwahr. Aber was ist schon Wahrheit auf dieser Welt? Sie ist relativ, und es kommt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man die Dinge sieht.
Ich ging die wenigen Schritte an den Nachbargräbern meiner Eltern vorbei. Zwei waren inzwischen hinzugekommen. Ich las die Namen der Verstorbenen, die mir allerdings nichts sagten.
Dann stand ich vor dem Grab meiner Eltern.
Ich glaubte, einen Kloß in der Kehle zu haben. Ich schaute auf die Namen Mary Sinclair und Horace F. Sinclair. Ich dachte daran, daß ein gewisser Duncan Sinclair das Doppelgrab geschändet und es beinahe zerstört hatte, doch davon war nichts mehr zu sehen. Der Stein war gerichtet, das Grab wirkte gepflegt, denn ich hatte es bei einem Gärtner hier in Lauder in Pflege gegeben.
Als ich links von mir ein Geräusch hörte, drehte ich mich um. Aus dem Schatten einer Buschgruppe war ein Mann aufgetaucht, der eine beladene Schubkarre vor sich herschob. Erde, altes Wurzelwerk und verdorrte Blumen bildeten die Ladung. Der Mann trug eine Baseballkappe, hatte einen Overall zum kurzärmligen Hemd an, und ein Teil seiner Beine verschwand in Stiefeln.
Fast neben mir blieb er stehen. Er drückte seine Kappe zurück, so daß ich sein Gesicht sehen konnte. Die rote Nase kannte ich, auch den wuchernden Bart. Es war der Gärtner persönlich, der sich um die Grabpflege kümmerte.
»Mr. Sinclair?« sprach er flüsternd.
»Genau.«
Er grinste und drehte seine schwieligen Hände um die Griffe der Karre. »Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie hier sehen? Ich meine, ich tue mein Bestes. Wir hatten einen warmen Sommer, und es ist nichts verdorrt. Die Steine sind auch in Ordnung gebracht worden, wie Sie sehen können.«
Ich ließ meinen Blick über die Geranien gleiten und entdeckte kaum Unkraut. »Ja, das haben Sie wirklich gut gemacht. Kompliment.«
»Oh, danke. Es macht mir Spaß. Zudem arbeite ich gern auf dem Friedhof.« Er räusperte sich. »Im allgemeinen…«
»Und sonst?«
»Da Sie schon mal hier sind, Mr. Sinclair, es ist irgendwie komisch. Wenn ich mit dem Grab Ihrer Eltern beschäftigt bin, überläuft mich jedesmal ein Schauer.«
»Wie kommt das?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber es ist so. Kann auch mit den Ereignissen der Vergangenheit zusammenhängen. Na ja, Sie wissen schon.«
»Klar, die Schändung.«
Er kratzte mit dem Daumennagel über seinen Nacken. »Ja, dann möchte ich Sie nicht weiter stören, Mr. Sinclair. Schöne Zeit noch.«
»Danke, gleichfalls.«
Er schob die Karre wieder an, blieb nach zwei Schritten stehen. »Und in zwei Monaten machen wir das Grab für den Winter fertig. Die Rechnung schicke ich Ihnen dann wie immer.«
»Ist in Ordnung.«
Der Gärtner stiefelte weiter. Es wurde wieder still, abgesehen vom Summen der Insekten. Ich
Weitere Kostenlose Bücher