1124 - Aus dem Reich der Toten
darauf, daß mein Vater endlich Ruhe hatte, nachdem der Killer endgültig zurück in das Schattenreich geschickt worden war.
Den beiden Frauen fiel meine Veränderung auf. »Darf ich fragen, was du jetzt vorhast, John?« fragte Janine.
Ich blieb bei ihr stehen. »Ja, das darfst du. Ich werde mich jetzt in den Wagen setzen und fahren. Für mich ist der Fall klar. Und ich möchte hier auch einen Trennstrich machen. Ihr habt euer Leben, ich habe das meine. Und ich bezweifle, daß uns jetzt noch berufliche Dinge zusammenführen werden.«
»Ist das dein Ernst?« erkundigte sich Janine.
»Sonst hätte ich es nicht gesagt. Ich fühle mich entlastet. Ich habe meinen Job erledigt.«
»In diesem Fall«, sagte sie.
»Was meinst du damit?«
»Lalibela ist ein König. Wenn auch ein König ohne sichtbares Reich. Er wird nicht so leicht aufgeben. Er ist jemand, der sich von der Familie Sinclair hintergangen fühlt, und denke genau nach. Auch du hast ihn angegriffen, oder nicht?«
»Nein, nicht direkt. Wir sind uns nur bei der Suche nach der Bundeslade in die Quere gekommen.«
»Das ist für ihn das gleiche, John.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Er wird nicht aufgeben. Und er ist mächtig. Mit dem ersten Killer hat er Pech gehabt, aber ihm stehen noch andere Möglichkeiten zur Verfügung. Seine Engel sind ihm treu ergeben. Sie haben ihn schon als kleines Kind beschützt, als man ihn töten wollte, das weißt du, das brauche ich dir nicht zu sagen. Du bist ein Feind, und für Lalibelas Engel bist du das ebenfalls. Das Reich der Toten schweigt nicht immer, und es ist sehr verschieden.«
Die Warnung hatte ich genau verstanden. Ich ignorierte sie trotzdem, denn ich war es gewohnt, auf eigenen Füßen zu stehen. Bisher hatte ich keinen Menschen gebraucht, der über mich wachte, und das wollte ich auch in Zukunft so halten.
»Wenn du mich tatsächlich so gut kennst, wie du gesagt hast, Janine, dann wirst du auch wissen, daß ich mich sehr gut allein beschütze und mir auch allein helfen kann.«
»Klingt das nach Abschied, John?«
»Wahrscheinlich schon.«
»Es ist schade«, sagte sie mit leicht trauriger Stimme. »Ich hatte mir von dir mehr erhofft.«
»Und ich auch, John!« sagte Nora.
»Ich muß meinen Weg gehen«, erwiderte ich. »Und ich möchte auch über gewisse Dinge nachdenken, und zwar in Ruhe.«
»Fährst du nach London?«
»Ja und nein, Nora. Ich kann deine Neugierde ja verstehen, aber nicht in dieser Nacht.«
»Sie ist noch nicht zu Ende, denke daran!«
»Kannst du dich verständlicher ausdrücken?«
»Das könnten wir, wenn wir mehr wüßten, John. Denk daran, was Janine dir gesagt hat. Lalibelas Engel geben nicht so leicht auf. Und sie sind wahre Meister im Täuschen.«
»Das ist der Teufel auch«, erklärte ich. »Bisher habe ich ihm immer die Stirn bieten können.«
»Du mußt es wissen«, sagte Janine Helder. Es klang nicht eben optimistisch.
So fühlte ich mich auch nicht. Zudem grübelte ich darüber nach, ob ich mich richtig verhielt. Aber da mußte ich durch. Diese Feinde hatten den Plan gefaßt, alles durchzuziehen. Lalibela wollte einen Schlußstrich unter den Namen Sinclair setzen, und da war ich die Person, an die er sich halten konnte.
Als ich meinen Wagen erreicht hatte und die Tür aufschloß, hörte ich über mich das Rascheln der Lindenblätter, die der leichte Nachtwind bewegte.
Ich schaute noch einmal zurück zu den beiden Frauen. Sie hatten ihre Positionen nicht verändert, blickten mir nur nach, winkten aber nicht. Ich tat es, stieg ein und schloß die Tür.
Den Zündschlüssel drehte ich etwas verlegen zwischen den Fingern, weil ich bis jetzt noch nicht wußte, wo mich der Weg hinführen sollte. Das nächste Ziel war Lauder. Ich konnte auch weiterfahren und mir wieder ein Quartier suchen.
Was auch passierte, eine ruhige Nacht würde es für mich jedenfalls nicht geben…
***
Auf dem Hinweg war ich schneller gefahren. Jetzt rollte der Rover langsam die Straße hinab, die in eine breitere mündete, über die ich nach Lauder hineinfahren konnte. Ich hatte mehr als gewöhnlich in den Rückspiegel geschaut, aber keine Verfolger entdecken können. Mittlerweile ging ich davon aus, daß meine Worte genügend Eindruck hinterlassen hatten. Den beiden mußte klar sein, daß ich keinen Leibwächter brauchte und gut auf mich selbst achtgeben konnte. Die Frage stellte sich, ob sie es auch akzeptierten.
Ein Licht hinter mir sah ich nicht. Ich hörte auch keinen fremden Motor. Durch die
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