1128 - Erbe des Fluchs
rutschten von ihren Schultern ab. Er lachte dann, mehr aus Verlegenheit als aus einem Bedürfnis heraus. »Das ist ja Wahnsinn, Suzanne. Das kann ich nicht glauben. So intensiv und direkt hast du mir deinen Traum beim erstenmal nicht erzählt. Du hast nur von einem Besuch des Blutsaugers gesprochen.« Er strich verlegen über seinen Oberlippenbart.
»Schmetterlinge im Bauch. Verdammt, ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.«
Sie drehte sich langsam um und holte tief Atem. »Nur akzeptieren, Al, mehr nicht.«
»Deinen Traum?«
»Ja, und deshalb habe ich Angst.« Albert Petit preßte die Lippen zusammen. Er schaute Suzanne an. Sie war eine attraktive Person.
Die Dreißig hatte sie überschritten, und trotz der vielen Arbeit, die in den letzten Jahren hinter ihnen lag, war sie noch immer schön geblieben. Zumindest für Albert. Er mochte ihre nicht eben schlanke Figur, die jetzt von einem schlichten lachsfarbenen Wollkleid umgeben war, das sich sehr eng an den Körper schmiegte, so daß Formen und Rundungen hervortreten konnten und er durchaus sehen konnte, daß sie unter dem Stoff keinen BH trug, denn ihre Brustspitzen drückten sich deutlich ab. Das Kleid hatte einen halbrunden Ausschnitt. Die langen braunen Haare reichten mit ihren Spitzen bis zu ihm hinab. Ein Gesicht ohne Falten. Runde Wangen, ein lieblicher Mund, braune Augen, eine kleine Nase, deren Flügel zitterten.
So etwas hatte er von Suzanne noch nie gehört. Er wunderte sich auch darüber, daß man überhaupt so etwas Ungewöhnliches träumen konnte. Hatte der nackte Angreifer in den frühen Morgenstunden tatsächlich einen so großen Eindruck bei ihr hinterlassen, daß er sie sogar noch in ihren Träumen verfolgte?
Alberts Blick war Suzanne etwas unangenehm. Sie fragte leise:
»Was schaust du mich so an?«
»Ich liebe dich!«
Suzanne tat etwas, was sie sonst nie machte nach einem derartigen Geständnis. Sie lachte hart auf. Normalerweise wäre sie ihm in die Arme gesunken und hatte von ihrem Mann einen Beweis gefordert, wozu er auch gern bereit war, doch diese Reaktion irritierte ihn schon, und deshalb schüttelte er den Kopf.
»Bitte, das habe ich ernst gemeint.«
Das Lachen verstummte. »Ja, ich weiß es, und ich glaube dir auch. Aber wenn es wirklich stimmt, solltest du jetzt einen bestimmten Beweis antreten, Al.«
»Du… du … willst ins Bett?«
»Nein!« Sie schloß die Augen. »Herrje, sei doch nicht so unsensibel. Das möchte ich nicht. Nichts mehr ist wie sonst nach diesen Stunden. Ich will etwas anderes. Wenn du mich wirklich liebst, wirst du auch darauf eingehen.«
»Was ist es denn?«
»Ich möchte weg, Al!«
Er hätte eigentlich mit einem derartigen Wunsch rechnen müssen, aber er schaute sie an wie eine Fremde. Nach einem Räuspern fand er die Sprache zurück. »Ähm… du … ich meine, ich habe mich doch nicht verhört? Oder besser doch?«
»Nein, AI, du hast dich nicht verhört. Ich möchte dieses Haus für eine Weile verlassen. Ich kann hier nicht mehr ohne Angst leben. Das ist vorbei.«
»Wir haben in den letzten Jahren hier gewohnt. Wir haben gearbeitet. Wir waren ein tolles Team und glänzend aufeinander eingespielt. Wir waren und wir sind stolz auf das Erreichte. Und jetzt kommst du mir mit diesem absurden Vorschlag.«
»Er ist nicht absurd, AI!« erklärte die Frau mit harter Stimme. »Es ist unsere Chance.«
»Seit wann bist du feige?«
»Nach der letzten Nacht und seit meinem Traum muß ich einfach so denken. Wenn wir hier in unserem Haus bleiben, ist das wie ein Gefängnis, dessen Mauern ihn aber nicht abhalten werden.«
»Du meinst damit deinen Vampir, der für Schmetterlinge in deinem Bauch sorgt.«
»Himmel, nimm es nicht persönlich, Al. Es war ein Traum.«
Er nickte ihr zu. »Eben, ein Traum, und nicht mehr. Und es wird auch ein Traum bleiben.«
»Das glaube ich nicht!«
»Aha, du meinst also, daß dein Kavalier tatsächlich hier erscheint und gewisse Dinge mit dir anstellt, auf die ich nicht näher eingehen möchte?«
»Nicht nur mit mir.«
»Ach, ist der bi?«
Darüber konnte die Frau nicht einmal lächeln. »Er ist ein Vampir. Er will Blut, unser Blut. Und einer wie er schafft es, daß wir uns in seinem Netz verfangen.«
»Du vielleicht, nicht ich. Ich hatte diesen Traum nicht und werde ihn auch nie haben.«
Suzanne Petit schwieg. Sie wußte nicht mehr, wie sie ihrem Mann beibringen sollte, daß sie sich in Gefahr befanden. Dieser Traum war für sie zugleich eine Warnung und eine
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