1128 - Erbe des Fluchs
können. In das pralle Leben, dem er durch seine Bisse ein Ende gesetzt hätte.
Besonders den Frauen…
Bei dem Gedanken an das weibliche Geschlecht leuchteten seine Augen auf, und die Lippen zogen sich zurück, so daß seine Vampirzähne freilagen. Die Frauen hatten auch in der Vergangenheit bei ihm immer die große Rolle gespielt. Sie waren die wichtigsten in seinem Leben gewesen. Er hatte sie fast alle bekommen. Von der Grande Dame des hohen Standes bis hin zur hübschen Dienstmagd. Sie hatten nicht gesehen und nicht gespürt, mit wem sie es zu tun bekamen.
Er war der Galan, der romantische Verführer, und erst als sie voll unter seiner Kontrolle standen, kam für sie das böse Erwachen. Da hatte er dann brutal und egoistisch zugeschlagen.
Frauen und Blut…
Das war etwas Besonderes für ihn gewesen. Ihr Blut mundete ihm besser. Es schmeckte anders. Es war süßer, und es war wie ein wunderbarer Saft über seine Zunge gelaufen bis hinein in die Kehle. Dort hatte er es dann geschluckt und war jedesmal frisch erstarkt aus der Verbindung hervorgekommen.
Wie es den Frauen ergangen war, wußte er nicht. Was interessierte ihn schon ein Danach. Sie waren irgendwann aufgefallen. Er hatte davon gehört, daß sie brannten, daß sie auch neue Opfer suchten, aber ihre Spuren hatten sich immer verloren.
Als unbesiegbar hatte er sich gefühlt, bis dann ein anderer erschienen war. Der Mann mit dem Kreuz, ein Hector de Valois, der die Vampire jagte.
Ob er seine Bräute vernichtet hatte, wußte Montfour nicht. Gejagt hatte er sie schon, ebenso wie ihn, und ihm war nichts anderes übriggeblieben, als sich zurückzuziehen. Hineinzugehen in das tiefste Verlies seines Schlosses, wo er so lange gewartet hatte, bis er dann durch das Blut eines Menschen erweckt worden war. Es war noch ein junger Mensch gewesen, und der Vampir hätte gern sein Blut getrunken. Es hatte nicht geklappt, alles war zu schnell gegangen. Außerdem hatte er sich erst in der neuen Welt und der neuen Zeit zurechtfinden müssen.
Sein Blick glitt zum Himmel. Er sah die Wolken, die schon Dunkelheit brachten. Er spürte den Wind, der ihn umsäuselte. Er sah auch das Tageslicht, das immer stärker in westliche Richtung zurückgedrängt wurde und sicherlich bald ganz verschwunden war.
Die Kraft kehrte zurück.
Er lachte in die Stille hinein. Er fühlte sich fast so wie früher, als es ihm gelungen war, all die Frauen unter seine Kontrolle zu bekommen. Auch jetzt war er wieder auf eine Frau konzentriert. Er hatte sie nicht vergessen. Er hätte sie sich nach ihrem Mann vorgenommen, aber sie war zu stark gewesen. Bevor er das Blut ihres Mannes hatte trinken können, war sie über ihm gewesen und hatte mit einem harten Gegenstand auf seinen Rücken geschlagen.
Das würde ihm nicht noch einmal passieren. Jetzt, wo die Kraft wieder vorhanden war, sah er ihr Gesicht vor sich. Ein schönes Gesicht. Lange, braune Haare. Ein fester Körper mit guten Rundungen und sehr großen Brüsten.
Beute – Beute für ihn, den Verführer. Den romantischen Vampir, der das Kerzenlicht geliebt hatte, um später, wenn das Dinner vorbei war, zuschlagen zu können.
Wiederholung. Alles mußte sich wiederholen.
Der nächste Schritt brachte Jacques Montfour vollständig ins Freie.
Seine echte Stärke war noch nicht wieder zurückgekehrt, aber das würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wichtig für ihn war sein Alleinsein. Noch sah er kein Opfer in dieser einsamen Gegend.
Er ging gegen den Wind, der sein langes graues Haar zurückwehte und es hinter seinem Kopf leicht flattern ließ.
Er blieb stehen.
Langsam drückte er seinen Kopf nach hinten, und aus seinem Mund drang ein irrer Schrei der Freude. Er wurde noch als Echo von der kahlen Wand zurückgeworfen. Er zitterte über die steinige Fläche vor ihm und gellte noch einmal in seinen Ohren nach.
Jacques Montfour war zufrieden.
Sehr sogar…
***
Auch ein anderer Mann schaute zum Himmel und sah, daß das Tageslicht allmählich verschwand. Der Mann hatte das Kloster verlassen und hielt sich vor dem recht flachen Bau mit der breiten Eingangstür auf. Er genoß die Restwärme des Tages, denn in der Stadt, aus der er kam, war es jetzt ziemlich kühl.
Der Mann war ich!
Mich hatte es nach Alet-les-Bains getrieben, weil ich auf der Suche nach einem gefährlichen Blutsauger war, der eigentlich längst hätte tot sein müssen, durch einen unglücklichen Zufall oder durch Schicksal wieder zu einer neuen Existenz erweckt worden
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