1128 - Weltraumtitanen
aus dem die energetischen Echos der Gitterstränge ausgeblendet waren, zeigte eine atemberaubende Vielfalt von Reflexen, die darauf hinwiesen, daß im Innern des Gitters Tausende, ja Zehntausende von Fahrzeugen unterwegs waren. Aber die beiden Tusnamis bewegten sich mit einer Geschwindigkeit von 60 %Licht relativ zu ihrer Umgebung. Die Augen des Menschen waren zu träge, als daß sie bei einem solchen Tempo Dinge hätten erkennen können, die weniger als ein paar tausend Kilometer entfernt und von entsprechendem Umfang waren. Die Fahrzeuge, die zwischen den Maschen des Gitters umherschwirrten, entgingen ihnen völlig. Der Film, den die mit rasender Geschwindigkeit arbeitenden Kameras belichteten, würde darüber Aufschluß geben, wie die Gefährte der Fremden aussahen.
„Heh, das geht wie Zuckerschlecken!" rief Nigel Davis von der T-80. „Sie haben nicht damit gerechnet, daß wir uns so einfach in ihre Welt einschleusen könnten."
„Keine Privatgespräche!" keifte Sassja.
Rido studierte die Fahrtanzeige. „Freu dich nicht zu früh, mein Freund", warnte er. „Bisher haben wir fünfzehn Lichtsekunden zurückgelegt. Unsere gesamte Fahrtstrecke innerhalb des Gitters beläuft sich auf zehn Lichtminuten."
„Was kann schon passieren?" meinte Nigel wegwerfend. „Bevor sie sich von ihrer Überraschung erholen, sind wir längst wieder draußen."
In diesem Augenblick sah Rido, wie sich eines der riesigen Nester von seinem Gitterstrang löste und in Bewegung geriet.
*
Es war ein völlig unwirklicher Vorgang. Der Orteralarm schrillte, und noch immer hatte Rido nicht völlig begriffen, was er sah. Das Nest, wenigstens dreihundert Kilometer im Durchmesser, schwebte sanft und schwerelos wie eine Seifenblase durch die weite Gittermasche. Daß es mit rasender Geschwindigkeit auf die T-82 zuzukommen schien, lag nicht an seiner Eigenbewegung, sondern am höllischen Tempo der Tsunami.
„Alle Schirme volle Leistung", meldete der Computer.
„Vorbereiten auf außerplanmäßige ATG-Fahrt", gellte Sassjas Befehl.
Die fremde Umgebung verschwand hinter einem zuckenden, glutenden Lichtvorhang.
Rido wurde in seinem Sessel nach vorne gerissen. Auf der Konsole tanzten irrlichternd die Kontrollanzeigen. Die Computerstimme plärrte: „Schäden im Triebwerkraum. Selbstreparatur möglich."
„So haben wir nicht gewettet!" drang Nigel Davis' zornige Stimme aus dem Empfänger.
„Feuer aus allen ..."
Der Rest des Satzes ertrank in einem schmetternden Krach. Auf dem Optikschirm sah Rido die Feldschirme der T-80 wie Fackeln aufleuchten.
„Bei euch alles in Ordnung, Nigel?" rief er besorgt.
„In Ordnung ... nicht", antwortete eine krächzende Stimme. „Aber ... am Leben ... sind ...
wir noch."
„ATG-Fahrt, beide Einheiten!" schrie Sassja.
Der Autopilot reagierte selbsttätig, ohne daß Rido die rotleuchtende ATG-Taste zu drücken brauchte. Er hatte an Sassjas Tonfall erkannt, daß die Lage ernst war. Der Himmel segne den Erfinder tonfallsensitiver Servos!
Die T-82 hüllte sich in ihr ATG-Feld. Rido studierte die Signale, die ihm von der Konsole entgegenleuchteten. Überall im Schiff hatte es Schäden gegeben. Der Treffer hätte um ein Haar die Feldschirme durchschlagen. Rido schauderte, während er zusah, wie eine Anzeige nach der anderen von Rot auf Grün wechselte. Die Selbstreparaturmechanismen und Roboter waren an der Arbeit.
Er rief sich das unglaubliche Bild in die Erinnerung zurück. Das beutelförmige Nest hatte sich von seinem Gitterstrang gelöst und war den beiden Tsunamis in den Weg getrieben.
Ein Gebilde, das aufgrund seiner unregelmäßigen, zufälligen Form ebenso natürlich wirkte wie das groteske Gittergewirr des Riesenrhomboids, hatte sich als gesteuertes, offenbar schwer bewaffnetes Fahrzeug entpuppt. Ein Fahrzeug von dreihundert Kilometern Durchmesser! Die Hälfte aller Schiffe des Ersten Abschnitts hätte darin Platz gefunden!
Und es gab Dutzende, Hunderte solcher Beutel. Überall, soweit das Auge reichte, baumelten sie scheinbar haltlos von den Gittersträngen herab.
Zum ersten Mal erfaßte Rido Narbonne wenigstens in der Form einer Ahnung die Größe der Gefahr, die auf die Erde zukam. Gebilde aus dem Hyperraum auftauchen zu sehen, deren Ausdehnung nach Lichtmonaten mißt, beeindruckt den menschlichen Verstand nicht. Sie sind zu groß, als daß er sich etwas unter ihnen vorstellen könnte, und selbst Zahlenvergleiche wie „fünfhundertmal so groß wie das Solsystem" verwirren mehr, als
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