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1129 - Das Blutmesser

1129 - Das Blutmesser

Titel: 1129 - Das Blutmesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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so geschah, Michelle. Was ist denn los gewesen? Wo lagen die Schwierigkeiten deines Bruders? Hatte er keinen Erfolg bei seiner künstlerischen Tätigkeit, sorgte dies für Depressionen und den Rutsch nach unten?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Er hat sich nie nach außen begeben«, erzählte sie leise. »Er ist immer nur innen geblieben. Keine anderen Menschen sollten seine Werke zu Gesicht bekommen. Ich weiß das alles sehr gut. Mein Bruder war eben sehr in sich vertieft und zurückgezogen. Es waren seine Werke, die er keinem anderen zeigte.« Sie räusperte sich. »Dann nahm er irgendwann das Schnitzmesser und schnitt sich die Kehle durch. Einfach so.« Sie schüttelte sich, als sie daran dachte. »Das war wirklich eine grauenhafte Zeit für mich. Und sie ist es auch jetzt noch. Ich habe Schwierigkeiten, darüber hinwegzukommen. Ich werde immer wieder daran erinnert. Die Bindung zwischen uns ist einfach zu stark gewesen, obwohl wir keine Zwillinge waren.«
    Auf das Thema wollte ich später noch zurückkommen. »Da muß doch noch etwas anderes oder mehr gewesen sein, Michelle. Man bringt sich nicht einfach um. Was ist denn die Triebfeder gewesen? Wie hat sich dein Bruder noch verhalten?«
    »Er war anders.«
    »Wie anders?«
    »Er hat immer geglaubt, daß es nicht nur diese eine sichtbare Welt gibt. Er träumte stets von einer anderen und besseren. Von einem anderen Reich. Und dorthin ist er auch gegangen. Manchmal hat er davon gesprochen, wie toll alles nach seinem Tod werden würde. Für ihn, denn dann würde er diejenigen sehen können, die schon zu Lebzeiten mit ihm Kontakt gehabt haben.«
    »Hat er die Gestalten in den Kutten und den spitzen Hüten damit gemeint?«
    Michelle sagte zunächst nichts. Es schien ihr schwerzufallen, mir die Wahrheit zu sagen. Schließlich nickte sie. »Ja, so liegen die Dinge eben. Ich kann es nicht ändern. Mein Bruder kannte sie schon zu Lebzeiten. Er hat sie mir auch beschrieben.«
    »Hat er sie auch gemalt?«
    Michelle atmete tief ein. »Ich wußte, daß du mich das fragen würdest. Das ist nicht der Fall.«
    »Wie kommen sie dann in die Bilder?«
    Michelle zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, John. Es ist mir ein Rätsel. Für mich steht allerdings fest, daß sich Alain gemeldet hat. Er hat immer behauptet, im Jenseits glücklich zu sein, doch daran glaube ich jetzt nicht mehr. Ich kann es mir nicht vorstellen. Er muß unglücklich sein, das ist eine Meldung. Irgendwie hat er mich übernommen und mich willenlos gemacht. Er und die anderen. Ich habe ja die Stimmen gehört, die davon sprachen, daß sie mich zu sich holen würden. In die Welt meines Bruders hinein - und in den Tod. Wir haben uns immer gut verstanden. Nun soll ich ihm folgen. Er will mich zu sich holen. Er hat sich aus dem Jenseits heraus gemeldet.«
    »Wer hat deinen toten Bruder gefunden, Michelle?«
    »Ich.«
    »Wo?«
    »Hier«, gab sie zitternd zu. »Aber ihr habt nicht in diesem Haus gelebt?«
    »Nur manchmal. Da hat er mich besucht, ist auch ein paar Tage oder mal eine Woche geblieben. Dann verschwand er wieder. Er hatte auch einen Schlüssel zum Haus. Ich brauchte nicht hier zu sein, wenn er kommen wollte. Er hatte immer freien Zutritt.« Sie drehte sich auf dem Sessel nach rechts und deutete dabei in die Mitte des Ateliers. »Dort ungefähr hat er gelegen. Auf dem Rücken. Und sein Hals sah aus, als hätte er einen dünnen Schal darum gebunden. Aber es war kein Schal. Es war Blut, sein Blut!« Sie atmete heftig. »Grausam, John. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich fühlte. Ich wußte, daß ich es niemals würde vergessen können. Aber daß es so kommen würde, daran habe ich beim besten Willen nicht gedacht.«
    Ich gönnte ihr eine kurze Pause, um dann zu fragen: »Wann ist dein Bruder gestorben?«
    »Vor knapp drei Monaten.«
    »Wo wurde er beerdigt?«
    »Nirgendwo. Man hat ihn verbrannt.«
    »Aha.«
    Ich merkte, daß Michelle nervös geworden war, denn sie rieb die Hände immer gegeneinander. Sie mußte mir etwas sagen, und es brach dann aus ihr hervor. »Ich habe etwas getan. Ich wollte nicht, daß die Urne in die kalte Erde kam, auch wenn nur Asche darin war. Ich habe sie einfach gestohlen, weil ich meinen Bruder auch als Asche immer um mich herum haben wollte. Kannst du das verstehen? Das Gefäß sollte mich jedesmal an ihn erinnern.«
    »Hast du es hier in der Wohnung aufgestellt?«
    »Ja. Auf dem schmalen Regal neben der Küchenzeile. Es soll nicht sofort gesehen werden

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