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1129 - Das Blutmesser

1129 - Das Blutmesser

Titel: 1129 - Das Blutmesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Michelle war in dieses Trauma hineingefallen, aber nun war die verdammte Klinge Wirklichkeit, und dieses Wissen peitschte in mir auf.
    Sie schaute mich auch an. Den Kopf hatte sie etwas erhoben, damit die dünne Haut am Hals auch straff genug saß. Es war schwer für mich, ihren Blick aufzufangen, wahrscheinlich war er nach innen oder ins Leere gerichtet.
    Die Zeit verging. Es war totenstill. Michelle stand unter einem gewaltigen Druck. Sollte sie es tun oder nicht? Das war die Frage, die sie in den folgenden Sekunden beantworten mußte. Noch hatte sie sich nicht selbst umgebracht, aber wenn sie den Befehl - woher auch immer - erhielt, würde sie es tun.
    Ich mußte die Ruhe bewahren. »Michelle, du hörst mich?«
    »Ja…«, hauchte sie die Antwort.
    »Wunderbar, Michelle. Sei ganz ruhig. Wir schaffen es. Du weißt, was du da in deiner Hand hältst?«
    »Ein Messer.«
    »Okay. Woher hast du es? Hast du es aus einer Schublade genommen? Wenn ja, dann lege es wieder dort hinein. Ich denke, daß ist für uns beide am besten und…«
    »Ich habe es mir nicht genommen.«
    »Was sagst du?«
    »Man hat es mir gegeben.«
    Ich bezweifelte, daß es eine Lüge war. »Wer hat es dir denn gegeben, Michelle? Ich habe niemand gesehen, tut mir wirklich leid. Da mußt du dich geirrt haben.«
    »Nein, sie waren es.«
    »Die Kuttenträger?«
    »Ja, sie.«
    »Waren sie denn hier?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Plötzlich habe ich das Messer gehabt.«
    Das hörte sich alles andere als gut an. Es gab für mich keinen Grund, ihr nicht zu glauben, auch wenn es noch so unwahrscheinlich klang. »Es ist wohl besser, wenn du das Messer zur Seite legst, Michelle, glaube mir.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Willst du es nicht?«
    »Es ist das Blutmesser.«
    »Und weiter?«
    »Mein Blut…«
    »Nein, Michelle, dein Blut ist nicht wichtig. Leg es weg, dann werden wir reden.«
    Sie gab mir keine Antwort. Ich wußte nicht, ob ich es als negativ oder positiv ansehen sollte, entschied mich aber für die positive Möglichkeit.
    »Wenn du es nicht kannst, werde ich zu dir kommen und dir dabei helfen.«
    »Nein!« Die Antwort hörte sich an wie ein katzenhafter Schrei, der mich zusammenschrecken ließ, so daß ich mich nicht traute, auch nur einen Schritt weiter auf Michelle zu zu gehen.
    Sie hatte ihre Haltung nicht verändert. Die Klinge klebte auch nach wie vor an ihrer Kehle, nur das Gesicht hatte einen anderen Ausdruck angenommen. Es war jetzt verzerrt, und darin zeichnete sich blanker Haß ab.
    Das war nicht sie. Das war eine andere Person, die in ihr steckte. Ein Geist, ein unheimliches Wesen, das die Malerin übernommen hatte.
    Irgend etwas aus einer anderen Welt.
    »Gut, Michelle. Ist alles okay. Ich werde auch nicht weitergehen. Ich bleibe.«
    »Ja, ja!«
    »Und was tust du?« fragte ich.
    »Was ich tun muß!« fauchte sie mir entgegen.
    »Alles klar, Michelle.«
    Natürlich war nichts klar. Nach wie vor befand ich mich in der Defensive.
    Ich brauchte nur in ihr Gesicht zu schauen, um zu wissen, daß sie es ernst meinte. Michelle würde keine Sekunde zögern, sich selbst die Kehle durchzuschneiden. Dabei tat sie es zwar selbst, aber es entsprach nicht ihrem eigenen Willen. Sie wurde geleitet. Von einer Macht, die im Unsichtbaren steckte, aber allmählich den Mut fand, hervorzukommen.
    Was sollte ich tun? Die Entfernung zwischen uns war einfach zu groß, als daß ich ihr mit einem Sprung zu Hilfe hätte eilen können. Deshalb suchte ich fieberhaft nach einer anderen Möglichkeit, um zu retten, was zu retten war.
    Leider hing das Kreuz vor meiner Brust und war noch durch meine Kleidung verdeckt. Ich wollte es freilegen und hoffte inständig, durch seine Kraft den Bann der anderen brechen zu können.
    Ich begann langsam das Hemd aufzuknöpfen. Dabei behielt ich die Malerin im Auge. Nichts sollte mir entgegen, nicht das geringste Zucken ihrer messerbewehrten Hand.
    Knopf für Knopf öffnete ich. Die andere Seite wehrte sich nicht dagegen.
    Sie ließ mich gewähren, und ich betete darum, daß die verdammte Klinge noch länger in dieser Position blieb.
    Ich schob das Hemd auseinander.
    Noch war das Kreuz nicht zu sehen, da es sich unter dem Unterhemd verborgen hielt. Ein letztes Zupfen noch, dann lag es frei.
    »Michelle!«
    Ich hatte ihren Namen haibläut ausgesprochen. Dennoch schrak sie zusammen. Ich rechnete in dieser Sekunde damit, daß sie mit der scharfen Klinge ihre Kehle einschnitt, was glücklicherweise nicht passierte. Statt

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