113 - Gebeine aus der Hexengruft
jedesmal auf die Wochenenden. Er war auf Montage
gewesen.
„Wie war das vorhin am Telefon?“ wollte er
wissen, während er das wohlproportionierte Mädchen unterhakte und mit ihm ins
Haus ging.
„Nichts, es war nichts.“ Er glaubte nicht
richtig zu hören, als diese Worte über Ellens Lippen kamen.
Er zog sie zu sich herum. Ihre Augen
schimmerten feucht, und Jim erkannte, daß sie sich zusammenriß und keineswegs
so selbstbewußt auftrat wie sonst.
„Was ist nur los mit dir?“ fragte er sanft,
ihre langen, dunklen Haare streichelnd. „Was soll dieses Hin und Her?“.
Sie warf sich plötzlich an seine Brust und
preßte ihn fest an sich. „Halt mich fest, Jim“, sagte sie leise, und ihre
Lippen zitterten. „Ich glaube - ich verlier’ den Verstand.“
„Kein Wunder in diesem Kaff“, knurrte er.
„Bei euch hat man wohl erst in der letzten Woche den aufrechten Gang
eingeführt.“
Jim hatte manchmal eine burschikose Art,
etwas auszudrücken.
„Ich habe Angst, Jim.“
„Warum hast du Angst, Ellen? Wovor?“
„Ich habe dir von dem Traum erzählt, und dann
habe ich bemerkt, daß ich alle Spuren an meinem Körper trug, die. damals
Cynthia Maniot gehabt haben muß.“
„Die hast du dir eingebildet. Wahrscheinlich
warst du von dem Traumerlebnis ganz durcheinander, daß du die Licht- und
Schattenreflexe vom Fenster her auf deiner Haut wahrgenommen und sie für Verletzungen
gehalten hast.“
„Das habe ich mir auch schon gedacht,
aber..."
Sie unterbrach sich, lehnte den Kopf an seine
Brust, und er merkte, daß sie am ganzen Leib zitterte.
„Was - aber?“
„Die Flecke taten weh, sobald ich sie
berührte.“
Er öffnete kurzerhand ihre Bluse, „Laß mich
sehen“, sagte er nur.
Sie ließ sich die Bluse von den Schultern
streifen. Jim Tekner betastete und betrachtete ihre schlanken Oberarme.
Er drückte einen Kuß zwischen ihre prallen,
kleinen Brüste und drehte Ellen dann langsam herum. „Ich kann keinen Kratzer
und keine Flecke sehen. Und auch von dem Brandloch zwischen deinen Schultern
sehe ich nichts.“
Er schüttelte den Kopf. „Machst du dich über
mich lustig?“
„Warum sollte ich mich über dich lustig
machen, Jim? Das Ganze ist entsetzlich, und ich frage mich, ob ich überhaupt
noch bei Verstand bin. Vorhin, als wir miteinander gesprochen haben war alles
genau so, wie ich es dir schilderte. Kurz nachdem du aufgelegt hast, ging ich
näher an den Spiegel ran, wie unter einem fremden Zwang. Ich habe mich aus
allernächster Nähe betrachtet und im vollen Tageslicht, das durch das Fenster
fiel. Da habe ich etwas Merkwürdiges festgestellt, Jim.“
Sie sah ihn aus großen Augen an. Die Flecke
veränderten sich, die Schmerzen schwanden. Ich stellte fest, daß die
mitgenommene Haut wieder ihr normales, rosiges Aussehen annahm. Es ist, als
wäre überhaupt nichts gewesen.
„Weil überhaupt nichts war! Ich will dir
erklären, wie so etwas zustande kommt. Du hattest einen Alptraum, so intensiv,
daß du nach dem Erwachen sogar die Spuren der Qualen zu sehen glaubtest, die du
im Traum durchgemacht hast. Vielleicht sind sie auch wirklich dagewesen. Es
gibt Menschen, die reagieren so. Das hängt irgendwie mit ihrem Geist zusammen.
Es ist Einbildung, ’ne Art Selbsthypnose. In dem Augenblick, als du dein
Aussehen aber kritisch unter die Lupe nahmst, verschwanden die Spuren. Das ist
der beste Beweis dafür.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie
ernst, „nein, Jim! So einfach ist es nicht. Leider! Es ist ganz anders, aber ich
kann nicht sagen, wie. Etwas bedroht mich, etwas will von mir Besitz ergreifen.
Cynthia Maniot - sie sucht sich einen neuen Körper. Sie wollte mal
wiederkommen. Vielleicht ist der Zeitpunkt da.“
●
Er sah, daß es keinen Sinn hatte, mit ihr
über diese Angelegenheit zu sprechen.
Ellen war nervös und überreizt und machte den
Eindruck, als, hätte sie schlecht geschlafen. Jim unterließ e>s, das Thema
noch- weiter auszuschöpfen. Es war ganz gut, -sie jetzt hier herauszuholen. Sie
brauchte Tapetenwechsel, und in der Gemeinschaft der Freunde würde sie wieder
ganz die alte sein.
Ganz wohl fühlte er sich jedoch auch nicht,
als sie zum verabredeten Treffpunkt fuhren. Er machte sich Sorgen über Ellen
Radnor. Eine ernsthafte gesundheitliche Krise? Dann mußte sie sich von einem
Arzt untersuchen lassen, von einem Spezialisten in London. Nicht von Kilroy,
den er, Tekner, für einen Quacksalber hielt. Ein Arzt, der dreißig Jahre
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