113 - Gebeine aus der Hexengruft
er für wichtig hielt, heraus. Das
grausame Schicksal dieser jungen Frau, die man gewaltsam von ihrem Mann und
ihren minderjährigen Kindern getrennt hatte, wurde vor ihm aufgerollt. Er las
sich fest.
Smith qualmte, sah ihm zu und sagte kein
Wort.
„Das Gefängnis, in dem sie gefoltert wurde,
existiert übrigens noch heute“, sagte er einmal, als Larry aufblickte. „Im
Keller des Hauses, in dem die Polizeistation untergebracht ist, kann man die
Zelle jetzt noch sehen. Aber kein Mensch wagt sich dorthin, ebensowenig wie in
die Kapelle.“
Larry sagte: „Ist es ebenso tabu wie die
Kapelle?“
„Nein. Aber man meidet den Ort. Ich glaube,
der Keller wurde irgendwann mal zugemauert. Vor hundertfünfzig Jahren oder so.
Muß auch in der Chronik stehen.“
„Würden Sie mir Gelegenheit geben, den Keller
zu sehen?“
„Da ist nur eine Mauer. Wenn Sie die sehen
wollen, dann steht dem nichts im Weg.“
„Danke!“ X-RAY-3 blätterte weiter. Er suchte
etwas ganz Bestimmtes. Smith hatte eine seiner Fragen nicht beantwortet. Warum
hatten weder er noch seine Vorgänger den Abbruch der Kapelle durchgeführt, wenn
doch eindeutig feststand, daß von dort aus böse Einflüsse auf Leben und
Gesundheit der Bewohner Brimsleys ausgingen?
Es mußte einen bestimmten Grund haben.
Er fand diesen Grund.
„Der Mönch“, entfuhr es Larry, als er auf die
'betreffende Stelle stieß.
„Ja. Ihm haben wir zu verdanken, daß Brimsley
noch existiert, daß die Familien, die seit eh und je hier ansässig sind, nicht
ausgerottet wurden.“
Es kam auch zum Ausdruck, wieso
...
Ein Mönch namens Philemanus, von dem niemand
wu ß te, woher er kam, sollte nur drei
Jahre nach dem Verschwinden der Leiche Cynthia Maniots eine Pilgerfahrt nach
Brimsley gemacht haben.
Die Chronik berichtete davon, daß er es
riskierte, mit einem geheimnisvollen schwarzen Kästchen, in dem sich ein
heilbringendes Amulett oder eine Heiligenrelique befand, in die Kapelle
einzudringen. Zu diesem Zeitpunkt entstand das Gerücht, daß die Gebeine der angeblichen
Hexe, die den Fluch über die Menschen von Brimsley ausgesprochen hatte, im
Innern der Kapelle verborgen sein mußten, und daß der Geist der Toten - der bis
zu diesem Zeitpunkt schon diejenigen heimgesucht hatte, die sich in den Gefängnissen
an ihren Leiden ergötzt hatten - hier gebannt werden konnte. Es war davon die
Rede, daß Philemanus drei Tage und drei Nächte lang fastete und dabei in der
Kapelle blieb. Als er zurückkehrte, hatte er das schwarze Kästchen mit dem
geheimnisvollen Inhalt nicht mehr bei sich.
Philemanus verschwand wieder aus Brimsley,
und seine Spur verlor sich im Dunkel der Geschichte wie das Schicksal zahlloser
anderer.
„Er hat etwas getan für die Menschen von
Brimsley“, führte John Smith aus. »Großes Rätselraten fing an. Keiner wußte
etwas Genaues. Es wird in der Chronik behauptet, daß Philemanus die Gruft mit
den Knochen gefunden hatte und die heilige Relique oder was sonst es immer war,
zurückließ, um den unheilvollen Geist, der von dort ausging, zu bannen. Aber er
warnte auch. Er soll gesagt haben, daß er den bösen Geist für geraume Zeit
zurückhalten könne, daß aber durch Veränderungen in der Erdschicht, durch
Erschütterungen, Erdbeben und dergleichen die Gefahr der Rückkehr des bösen
Geistes ständig gegeben sei. Außerdem hat er dringend davor gewarnt, trotz
seines Eingriffs in das gespenstische Geschehen, die Dinge auf die leichte
Schulter zu nehmen. Die Fernwirkung und die Rückkehr Cynthia Maniots seien zwar
ausgeschlossen, in allernächste Nähe der Kapelle aber sei Vorsicht geboten.
Kräfte, welche nicht völlig kompensiert worden seien, könnten schwere
Erkrankungen hervorrufen und den Tod nach sich ziehen. Das alles finden wir
bestätigt, und so haben wir vor der letzten Konsequenz Angst: was wird
geschehen, wenn Abbrucharbeiten eingeleitet werden? Erschütterungen . .. Es
müßte gegraben werden .... Abgeräumt, weggeschafft .. . Wände und Decken stürzen ein ... Philemanus, ein Mönch
aus einem anderen Jahrhundert hat gewarnt, doch das alles werden Sie aus dem
Text entnehmen können. Obwohl ich die Chronik sehr genau kenne, sind doch auch
mir Einzelheiten und einige Hintergründe, die zu kompliziert sind, um sie
wiedergeben zu können, entfallen. Auf den nachfolgenden Seiten wird Philemanus
wörtlich zitiert. Das ist sehr kompliziert und ermüdend. Und außerdem ist es
lateinisch geschrieben. Eine ältere, längst überholte Übersetzung
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