113 - Gebeine aus der Hexengruft
anstarrte.
„Ellen“, schluckte sie, und heiser klang ihre
Stimme. „Erkennst du mich denn nicht, Ellen? Ich bin Liz, deine Freundin. Ellen
- nein, nein, tu’s nicht! Aaaaggghhh ...!“
●
Er hatte sich den Verlauf dieses Tages anders
vorgestellt. Aber durch den mysteriösen Tod von Reverend McCorner, der ihn
natürlich interessierte, wurden Larry Brents Pläne über den Haufen geworfen.
Dieser Vorfall gab ihm zu denken.
Worüber wußte der Reverend Bescheid? Was für
einen Verdacht hatte er gehabt? Hing sein Tod mit dem geheimnisvollen Besuch im
Schulhaus zusammen? Wen oder was hatte er beobachten wollen? Je mehr er über
die Dinge nachdachte, desto mehr Fragen stellten sich ihm.
Im Ort wurde viel gesprochen. Einiges kam
Brent zu Ohren. Man brachte McCorners Tod mit der Hexe in Verbindung, aber
niemand hatte eine Erklärung dafür, auf welche Weise sie diesen Tod
herbeigeführt hatte. War es wirklich so, wie gerüchteweise verlautete, daß sie
wie ein Schatten in das Haus des Reverends eingedrungen war und ihn die Treppe
hinunlergestoßen hatte?
Diese Möglichkeit war nicht ganz von der Hand
zu weisen, obwohl es keine Spuren gab, die eine solche Annahme bestätigten.
Aber vieles in diesem Leben war
unwahrscheinlich und entbehrte jeden Beweises und doch, geschah es.
Für den Dorfpolizisten, der gerufen worden
war, stellten sich hier keine Probleme. Mörder liefen in Brimsley nicht herum.
Außer einem handfesten Streit zwischen verfeindeten Familien hatte der Polizist
noch nie etwas schlichten müssen. In Brimsley war die Welt noch in Ordnung.
Das mit der Hexe Cynthia Maniot war natürlich
etwas anderes. Die gab es in Brimsley ohne Zweifel. Aber daß sie sich
ausgerechnet am Reverend vergriffen haben sollte? Das war schon
unwahrscheinlich. Er hatte genügend Möglichkeiten, sich gegen Spuk und Hexerei
zu schützen. Nein, das Ganze war ein bedauernswerter Unfall. McCorner war im
Dunkeln auf der obersten Stufe gestürzt und dann fast die ganze Treppe heruntergefallen.
Diese Version klang genauso einleuchtend.
Larry beschloß, am Ball zu bleiben.
Entgegen seiner ursprünglichen Absicht,
zunächst die Kapelle aus der Nähe zu betrachten, tauchte er im Bürgermeisteramt
auf.
Der Bürgermeister mit dem Allerweltsnamen
John Smith, ließ den Fremden in sein Büro eintreten, nachdem Larry der
Sekretärin, die verstaubt aussah wie die nutzlosen Akten in dem alten, bis zur
Decke reichenden Schrank, zu verstehen gegeben hatte, daß er wegen der
Hexenlegende in Brimsley weile.
Auch die PSA in New York war mittlerweile
über die Funkbrücke informiert worden. Larry hatte eine Anfrage ans Archiv
gerichtet, ob es Material über den Racheschwur der als Hexe Hingerichteten gäbe
und ob in den letzten Jahren in und um Brimsley Fälle aufgetreten wären, die
ungeklärt blieben. Besonders sei er interessiert daran zu erfahren, ob es zu
Krankheiten gekommen sei. die nur hier in Brimsley aufgetreten, und ob diese
Krankheiten mit dem Namen der Hexe in Verbindung gebracht worden waren.
Gerade darüber wollte er sich noch mal mit
Dr. Kilroy unterhalten. Der mußte es schließlich am besten wissen, denn ihm war
jeder Krankheitsfall bekannt.
Zuletzt war in Brimsley die Frau des
Apothekers an einer Krankheit gestorben, die Kilroy nicht identifizieren konnte.
Das ging dem PSA-Agenten durch den Kopf, als
er in John Smiths Büro trat.
Rauchwolken hingen in der Luft. Es roch nach
einem penetrant starken Tabak, und Larry wurde unwillkürlich an seinen Freund
Iwan Kunaritschew erinnert, der extrem starke, selbstgedrehte Zigaretten
rauchte und andere Menschen damit zur Verzweiflung brachte.
John Smith wedelte mit der Hand in der Luft
und nahm die dickbauchige Zigarre aus dem Mund. „Nehmen Sie Platz“, sagte er
jovial, seinem Besucher die fleischige Hand über die Tischplatte reichend. Der
Schreibtisch war aufgeräumt und glänzte poliert.
Das Telefon und eine ledergebundene Unterschriftenmappe
sowie ein Utensilien Behälter standen sauber zueinander geordnet. Smiths
Hauptarbeit schien darin zu bestehen, seinen Schreibtisch staubfrei zu halten
und die Zigarre nie erlöschen zu lassen. „Sie sind Mister Brent?“
„Okay.“ X-RAY-3 nahm den angebotenen Platz.
Es war ein uralter Polsterstuhl mit abgewetztem Bezugsstoff. Wenn die
Gemeindekasse so viele Löcher wie das wurmstichige Holz hatte, dann konnte er
verstehen, weshalb sich der Bürgermeister von Brimsley keinen neuen
Besucherstuhl leisten konnte.
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