1132 - Hexenfalle Bamberg
war ihm nicht fremd. Er las ja Zeitungen, und zwar welche, die alle politischen Richtungen vertraten. Da hatte er durchaus etwas über die neuen, modernen Hexen gelesen. Frauen, die ihre alten Rollen abstreiften und sich auf ihre eigenen Stärken besannen, die sie dann noch durch alte mythische Riten verklärten und zudem davon ausgingen, daß es ja die Welt hieß, und die war bekanntlich weiblich.
Davon hielt Schottenrammer nichts. Er dachte mehr als konservativ. Das alte Rollenspiel zwischen Mann und Frau kam ihm sehr entgegen. Nie hätte sich seine Frau Hildegard diesen modernen Hexen angeschlossen. Zudem lebten sie in Regensburg. Da gab es so etwas nicht, da war die Welt noch in Ordnung, die zwischen Bratwurst, Klerus und einer sehr konservativen Denkungsweise schwamm.
Zumindest in den Kreisen, in denen er normalerweise verkehrte.
Der Gedanke an seine Frau brachte ihn wieder auf etwas anderes zurück. Sie wartete auf ihn, und er hatte ihr gesagt, daß er zum Abendbrot wieder daheim sein wollte. Aber er hatte ihr nicht mitgeteilt, was sie ihm kochen sollte.
Über Schottenrammers Gesicht glitt ein Lächeln. Es war noch Zeit genug, es ihr mitzuteilen, und deshalb wollte er sie anrufen. Es gab genügend Parkplätze an der Autobahn, auf denen er in Ruhe telefonieren konnte.
Nürnberg lag hinter ihm. Die Strecke nach Passau zweigte ab, die er nehmen mußte. Den großen Verkehr in Richtung München verließ er und fuhr auf die ruhigere Strecke. Immer wenn er diese Autobahn erreicht hatte, atmete er tief durch. Das roch schon mehr nach Heimat, und nur wenige Kilometer weiter fand er einen Parkplatz neben der Autobahn, auf dem nur ein Fahrzeug stand. Es war ein Lastwagen, den er passierte. Mit einem schnellen Blick erkannte der Richter, daß die Vorhänge der Schlafkabine im Führerhaus zugezogen waren. Der Fahrer mußte übermüdet sein und legte eine Ruhepause ein.
Schottenrammer hielt an und holte sein Handy hervor. So konservativ war er nicht, als daß er auf dieses Kommunikationsmittel verzichtet hätte. Er wünschte sich eine freie Leitung und hatte Glück, denn Hildegard hob sofort ab.
»Ich bin es.«
»Du, Walter? Ich habe mit deinem Anruf gerechnet. Ist alles gut gelaufen, und bist du noch in Bamberg?«
»Nein, die Arbeit habe ich hinter mir.«
»Bist du denn erfolgreich gewesen?«
Schottenrammer lachte schallend. »Und ob ich das war. Die Frau sieht die Freiheit nicht mehr wieder.«
»Das hat du gut gemacht, Walter.«
Der Richter brauchte Lob. Nach derartigen Worten ging bei ihm die Sonne auf. Seine Frau hätte sich nie erlaubt, ihn zu kritisieren, das stand fest. Es war am Anfang ihrer Ehe so gewesen, und es würde auch weitergehen, so lange er lebte.
»Wann kannst du denn bei mir sein, Walter?«
»Es dauert noch eine gute Stunde. Du hast also noch Zeit genug, um das Essen zu richten.«
»Ach.« Hildegard klang etwas enttäuscht. »Ich dachte, daß wir auswärts essen?«
»Nein, ich möchte gern mein Lieblingsgericht. Warmer Kartoffelsalat und heiße Regensburger.«
»Ja, gut, kann ich machen. Wie sieht es denn mit deinem Stammtisch aus?«
»Da gehe ich anschließend hin.«
»Gut, dann werde ich alles zubereiten. Ach ja, unser Sohn wollte heute abend kommen.«
»Oh, welch seltener Besuch.«
»Er hat heute eben Zeit.«
»Frag ihn, was er will. Wahrscheinlich wieder Geld, der Herr Student, der nie richtig zurechtkommt.«
»Laß ihn doch…«
»Du bist zu weich, Hildegard, aber darüber möchte ich mit dir jetzt nicht reden. Bis nachher.« Der Richter unterbrach die Verbindung, schüttelte den Kopf und legte das Handy auf den Beifahrersitz.
Er brachte nicht viel Verständnis für die Jugend auf, und sein Sohn war leider nicht so geraten, wie er es sich vorgestellt hatte.
Bevor er startete, warf er noch einen Blick nach draußen. Rechts von ihm wuchsen Nadelbäume schlank und hoch in den Himmel, wobei die untere Hälfte der Stämme fast kahl wirkte.
An der linken Seite lag die Autobahn. Der Blick darauf war ihm durch das gefärbte und leicht eingeschrumpelte Blattwerk einer Hecke verwehrt. Er hörte nur die Geräusche. Dieses stetige »Husch-Husch«, wenn die Fahrzeuge vorbeisausten.
Ein anderes Geräusch war lauter!
Schottenrammer zuckte zusammen, als er den Aufprall auf dem Dach mitbekam.
Nach dem Ducken blickte er automatisch zum Wagenhimmel, weil er befürchtete, daß er leicht eingedrückt worden war, so laut hatte sich das Geräusch angehört.
Er wartete mit angehaltenem Atem
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