1134 - Alissas Vater
gegangen, obwohl ich ihn gewarnt habe. Ehrlich.«
Mir paßte die Antwort nicht. »Wovor haben Sie Rudy gewarnt?«
Er schwieg.
»Verdammt, sag es!« mischte sich Bill ein. »Da ist doch einiges nicht in Ordnung.«
»Er war nicht allein.«
»Ja und?«
Herby legte den Kopf zurück und lachte. »Ihr seid zu lange weg gewesen. In der Zwischenzeit haben Rudy und ich hier Besuch bekommen. Einen Besuch, mit dem keiner gerechnet hat. Aber Rudy weiß jetzt Bescheid, und er ist nicht einmal sauer oder zu stark geschockt gewesen.«
Allmählich wurde mir die Folter zuviel. »Wer ist es gewesen, Looks? Verdammt.«
»Alissa«, flüsterte das »Ohr«.
***
Es war plötzlich sehr, sehr still geworden in unserer Nähe. Auch der Lärm innerhalb des Lokals schien sich meilenweit entfernt zu haben. Wir kamen uns ziemlich allein vor. Die Erklärung war schon ein Hammer gewesen, und Franca bewegte sich dabei wie in Trance. Sie drückte sich langsam nach unten, saß schließlich auf dem Stuhl und konnte ihren Blick nicht von Herby lösen.
»Es stimmt, Franca«, flüsterte er. »Alissa ist hier gewesen. Sie hat hier mit Rudy am Tisch gesessen, und sie hat ihm alles erzählt. Rudy weiß Bescheid.« Looks warf Franca einen beruhigenden Blick zu. »Du brauchst dir nicht einmal Sorgen zu machen. Er hat sie voll und ganz akzeptiert. Ja, das hat er. Vater und Tochter. Er war plötzlich so verdammt happy. Beide sind dann gegangen.«
»Warum?« fragte ich. »Warum sind sie nicht hier in der Kneipe geblieben?«
»Ja«, gab Herby Looks zu. »Das ist wirklich das große Problem. Er hat sich von Alissa überreden lassen. Ich konnte alles hören, aber ich habe mich nicht eingemischt. Ich fühlte mich zu fremd. Aber ich habe Angst bekommen.«
»Wohin sind sie gegangen?« wollte Bill wissen. »Verdammt, laß dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
»Weg. Alissa wollte ihm etwas zeigen.«
»Schön. Und was?«
Er blickte Bill starr an. »Ihren Vater. Sie wollte ihn mit dem echten Vater bekannt machen.«
Herby Looks hatte die Worte sehr leise gesprochen, aber sie waren bei uns wie eine Bombe eingeschlagen.
Franca konnte nichts sagen. Sie saß einfach nur steif zwischen uns. Bill Conolly schüttelte den Kopf. »Wir haben uns nicht verhört, oder?«
»Nein.«
»Und er ist mitgegangen?«
Das »Ohr« nickte. »Er war regelrecht locker. Er kannte ja nicht die ganze Wahrheit.«
»Und Sie haben ihm nichts gesagt?«
»Nein, nein.« Herby schüttelte den Kopf. »Ich habe ihm nichts gesagt. Ich habe mich einfach nicht getraut. So ist das. Ich… ich… war wie steif. Ich konnte nichts tun.«
Ich sah Franca an, »Alle Achtung, Franca, daß Ihr Ehemann so ohne weiteres akzeptiert hat, daß er eine Stieftochter hat. Das hätte nicht jeder getan, glauben Sie mir.«
Herby gab so etwas wie eine Erklärung. »Alissa hat ihn einfach begeistert. Sie ist auch eine verdammt hübsche Frau. Da mußte er… na ja, er ging mit.«
»Wohin?« fragte ich.
»Keine Ahnung. Sie wollten den echten Vater treffen. Er muß wohl draußen irgendwo warten. Alissa weiß es, ich nicht, und ich konnte auch nichts unternehmen.«
Bill und ich warfen uns nur einen kurzen Blick zu, bevor wir aufstanden. Es galt jetzt, keine Sekunde mehr zu verlieren. Wir trauten auch der schönen Alissa nicht mehr. Ich mußte daran denken, was mir Father Ignatius gesagt hatte. Daß Alissa begeistert von ihrem Vater gewesen war, trotz seines Aussehens. Und ich dachte auch daran, daß in dem alten Kloster die vielen Skelette gefunden worden waren. Das Erbe eines Massenmörders.
Wir waren schon einen Schritt vom Tisch weg, als Franca ebenfalls aufstand. »Ich gehe mit Ihnen.«
»Bitte…«
»Nein, Mr. Sinclair«, sagte sie und schob meine ihr entgegengestreckten Hände zur Seite. »Sie können mich nicht daran hindern. Ich muß einfach mit, verstehen Sie?«
Ja, ich verstand, denn da schimmerte etwas in ihren Augen, das ich nicht übersehen konnte und das mich verdammt mißtrauisch machte. Ich sagte nichts und nickte nur.
Bill stand bereits in der Tür. Er hatte sie geöffnet, um uns hinauszulassen.
Draußen hatte sich kaum etwas verändert. Abgesehen davon, daß der Nebel dichter geworden und die Temperatur noch mehr gefallen war. Es war nicht viel zu sehen. Die Umgebung schien sich vor unseren Augen aufzulösen. Es gab so gut wie keine Mauern mehr. Sie hätten nach rechts oder nach links gehen können. Vor der Tür jedenfalls standen sie nicht. Die Nacht war in dieser Umgebung
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