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1140 - Der Eindringling

Titel: 1140 - Der Eindringling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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zehnjähriger Junge überhaupt aussehen konnte.
    Aber was Phantasie betraf, so war Eri diesem Jungen ganz bestimmt ebenbürtig, und sie hatte Übung darin, Geschichten zu erfinden.
    „Sam - das ist mein Vater - hat oft so komische Ideen", erzählte sie munter drauflos. „Er hat den Roboter gebaut."
    „Wozu?"
    „Für den Karneval."
    „Was ist denn das?"
    „Da verkleidet man sich. Kennst du das nicht?"
    „Ich habe davon gehört", murmelte Norman unsicher. In Wirklichkeit hörte er das Wort zum erstenmal, aber er wollte sich einem so kleinen Mädchen gegenüber keine Blöße geben. Er prägte sich das Wort ein. Karneval. Er würde schon herausfinden, ob Eri ihm nur irgendein Märchen erzählt hatte, oder ob es so etwas wirklich gab.
    „Naja, und Sam hatte den Roboter gebaut. In Wirklichkeit ist es gar kein richtiger Roboter. Er kann damit herumschweben und ein paar Arme ausfahren. Außerdem wackelt das Ding. Es soll nämlich so aussehen, als ob es zu viel Schnaps getrunken hätte."
    „Und wozu soll das gut sein?"
    „Weiß ich auch nicht. Aber es war sehr lustig. Sam hat sogar einen Preis dafür bekommen."
    Norman fand eigentlich nicht, daß das, was er gesehen hatte, lustig wirken konnte, aber allmählich ging ihm auf, daß Eri nicht unbedingt aus der näheren Umgebung stammen mußte.
    „Wo hast du damals gewohnt?" fragte er.
    „In Köln", erklärte Eri. „Das ist in Europa."
    „Und wie kam dein Vater mit dem Roboter hierher?" erkundigte sich Norman.
    „Mit einem Gleiter, natürlich. Paß auf, meine Mutter, und mein Vater vertragen sich nicht." Jetzt kam ihr das zustatten, was sie gestern in der Wohnküche aufgeschnappt hatte. „Meine Mutter hat Sam einen Detektor auf den Hals gehetzt."
    „Einen was?"
    „Einen Detektor", wiederholte Eri. „Das ist ein Mann, der Leute beobachtet."
    „Du meinst einen Detektiv", vermutete Norman ein wenig verächtlich.
    „Ich hatte das richtige Wort vergessen!"
    „Macht nichts. Weiter!"
    „Sam wollte mit Hurt sprechen, aber wegen dem - Detektiv traute er sich das nicht. Da hat er sich in den Roboter gesetzt."
    „Und warum hat er den alten Gassner mit einer Waffe bedroht?"
    „Das hat er ja gar nicht. Er hat nur so getan."
    „Warum?"
    „Er mußte doch den Detektiv anführen."
    Norman dachte über diese Geschichte nach. Sie leuchtete ihm noch nicht ganz ein, aber andererseits mußte Eri ja wohl wissen, was ihr Vater alles anstellte, um den Detektiv loszuwerden. Er erinnerte sich daran, daß es vor ungefähr einem Jahr in Melville auch so etwas gegeben hatte - eine Sensation in diesem Städtchen. Damals hatte Ed Batobbe, der auf dem Raumhafen arbeitete, gedacht, daß Inka Batobbe ihn betrog. Er hatte einen Detektiv engagiert. Die Batobbes wohnten noch nicht lange in Melville - sonst hätte es Ed klar sein müssen, daß so etwas in einem derart kleinen Ort nicht funktionierte. Das halbe Dorf hatte sich einen Spaß daraus gemacht, der armen Inka immer neue Verkleidungen zu liefern. Norman, der solchen Vorgängen gegenüber sehr aufgeschlossen war, hatte mit eigenen Augen gesehen, wie zuerst der alte Nagama und dann Inka Batobbe in die Polizeistation gegangen waren. Dann kam der alte Nagama wieder heraus und flog mit einem Gleiter davon - und eine halbe Stunde später erschien Nagama noch einmal, und wieder kam er aus der Polizeistation, und Inka Batobbe in ihrer Nagama-Maskerade mochte inzwischen sonst wo angekommen sein.
    Warum also sollte Eris Vater nicht als Roboter zu Hurt Gassner gegangen sein?
    Nur eines war dem Jungen noch unklar.
    „Wie ist er wieder herausgekommen?" fragte er.
    „Das ist leicht", behauptete Eri.
    „Der Roboter hat eine Klappe ..."
    „Das meine ich nicht", fiel Norman ihr ins Wort. „Wie ist er aus dem Haus gekommen?
    Ich habe stundenlang gewartet, und ich habe ihn nicht wieder gesehen."
    Und in diesem Augenblick beging Eri einen Fehler. Das war verzeihlich, wenn man bedachte, wie jung sie noch war und welchem Druck sie standzuhalten hatte. Anstatt einfach zu behaupten, daß Sam in seiner Robotermaske das Haus erst in der folgenden Nacht verlassen hatte, sagte sie: „Er ist hinten 'raus. Da ist noch eine Tür."
    Da das Haus der Gassners unter den Kindern von Melville einen denkbar schlechten Ruf hatte, war Norman nur ein oder zweimal bis zu dem bewußten Zaun vorgedrungen. Er konnte daher nicht auf Anhieb sagen, ob dieses Haus noch einen zweiten Ausgang besaß oder nicht, aber er war instinktiv nicht bereit, eine so einfache Erklärung

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