1141 - Die Königin von Avalon
Verstärkung herbeiholen und weitermachen.
Die zweite Möglichkeit gefiel mir besser, denn diese Niederlage hatte mich wütend gemacht und mich zugleich angespornt. Ich wollte nicht den Kaspar für die beiden spielen.
Der zweite trat locker zur Seite. Er kümmerte sich nicht darum, dass ich meine Waffe noch in der Hand hielt. Er hatte erlebt, was mit seinem Freund passiert war, nämlich nichts. Er war nur zwischen die Bänke gefallen. Auch das war jetzt vorbei, denn er hatte sich wieder aus dem Zwischenraum hervorgedrückt.
Da beide nichts taten, konnte ich mich auf das Einschussloch in seiner Brust konzentrieren. Es war vorhanden. Der Zufall hatte dafür gesorgt, dass die Kugel genau eine Stelle zwischen den Augen erwischt hatte. Dort sah der Pelz aus wie verbrannt, und tatsächlich wehten noch einige dünne Rauchfinger zitternd in Richtung Kinn hoch.
»Du bist ein Mensch!« flüsterte er. »Wir sind es nicht. Wir haben es dir beweisen. Das menschliche Aussehen ist nur Tarnung. So haben wir uns einschleichen und andere täuschen können. Jetzt werden wir den Gabentisch für Baphomet vorbereiten.«
Sie würden mir keine Chance geben. So wie sie sich bewegten, deutete alles darauf hin, dass ich in die Zange genommen werden sollte. Und plötzlich waren sie auch nicht mehr waffenlos, denn ihre Hände verschwanden in den Taschen, und dann sah ich die Messer mit den langen, sehr dunklen Klingen, als wären sie geschwärzt worden, bevor sie in die Körper hineinstießen.
Mit einer schnell geschossenen Kugel hätte ich im Normalfall den Problemen Herr werden können, so aber blieb mir nur mein Kreuz, die Beretta war nutzlos.
Es hing um meinen Hals. Ich ärgerte mich, denn ich hätte es in die Tasche stecken können, um es dann schneller hervorzuziehen, wenn es sein musste.
Ich gab mir noch zwei Sekunden Zeit, um mich auf das Kreuz zu konzentrieren.
Ja, es hatte sich erwärmt. Jetzt, wo ich mich darauf konzentrierte, merkte ich es. Das Kreuz war ein Warner, und ich war froh, noch diesen verlässlichen Freund zu haben, auch wenn er nicht lebte.
Blitzschnell verdichtete sich die Gefahr! Ich hatte damit gerechnet, von zwei Seiten angegriffen zu werden. Und das mit schnellen Messerstößen, aber die Baphomet-Diener hatten etwas anderes vor.
Sie bewegten ihre Arme nach oben. Die Messer lösten sich dabei aus ihren Händen, überschlugen sich in der Luft und wurden geschickt an den Klingen aufgefangen.
Ich brauchte nicht erst an Messerwerfer aus dem Zirkus zu denken, diese beiden waren bestimmt genauso gut. Am Aufleuchten der Baphomet-Augen auf der Brust bemerkte ich, dass es ihnen ernst war.
Jetzt half nur noch eines - hoffentlich! Das Rufen der Formel!
Aber es kam anders. Denn plötzlich wehte ein kalter Hauch durch das mächtige Innenschiff der Kathedrale. Zugleich brandete die sonorklingende Stimme auf.
»Dieses Haus ist noch immer dem Herrn geweiht. Niemand wird darin durch Gewalt ums Leben kommen…«
Damit hatten weder ich noch die beiden Baphomet-Diener gerechnet. Ich war plötzlich vergessen.
Zwar ließen sie ihre Messer nicht fallen, aber die Konzentration auf mich war nicht mehr so stark. Sie hatten die Stimme gehört, der Sprecher allerdings ließ sich nicht blicken. Aber er war da, denn wir spürten alle gemeinsam den kalten Hauch, der uns erwischte.
Auch ich traute mich nicht, die Formel auszusprechen. Ich fürchtete, etwas falsch zu machen oder demjenigen in die Quere zu kommen, der jetzt hier das Sagen hatte.
Wo steckte er?
Seine Stimme - so war es mir zumindest vorgekommen - hatte mich von verschiedenen Seiten erreicht. Volltönend hatte sie das Innere der Kathedrale ausgefüllt. Er konnte an der Decke schweben oder auch an den Wänden entlang gleiten. Einer wie er war mehr als ein Mensch und der große Beherrscher.
Eine Kirche besitzt einen Mittelpunkt. Für viele Menschen und auch für mich war das der Altar. Und genau dort schaute ich hin. Und ich sah, dass ich mich nicht geirrt hatte.
Die Gestalt hielt sich nicht in gleicher Höhe mit dem Altar auf. Aber sie schwebte über den breiten Stufen, und der Altar befand sich hinter ihrem Rücken.
Obwohl ich einen Menschen vor mir sah, hatte ich eher den Eindruck, dass es keiner war. Er war sehr groß und hell. Eine Lichtgestalt, die geschickt worden war, um das Unheil zu bekämpfen.
Da gab es in diesem besonderen Fall nur eine Person. Und ich wollte es kaum wahrhaben, auch wenn es der Wahrheit bestimmt sehr nahe kam. Wir hatten Besuch von
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