1141 - Die Königin von Avalon
wurde von einem Schauder erfasst. Erlebnisse wie diese zählten zu den Eckpunkten in meinem Leben. Ich fragte nicht nach dem Grund, wie es möglich war, dass das Herz überhaupt noch schlug, ich war dankbar, dass ich es erleben konnte. Und ich war zugleich auch ein wenig stolz, denn Suko und ich hatten es geschafft, die Feinde des Herzens auszuschalten.
»Hier ist es also«, flüsterte ich.
»Ja, John, und hier wird es auch bleiben. Für alle Ewigkeit. Verstehst du? Heute hat sich der Kreis geschlossen. Feinde haben noch einmal versucht, an das Herz heranzukommen. Es ist ihnen nicht gelungen, weil die anderen Kräfte stärker waren, zu denen ja auch du gehört hast. Nun aber ist die Zeit abgelaufen, die man uns eingeräumt hat. Bis Ende des Millenniums hat sich auch dieser Kreis geschlossen.«
Ich enthielt mich einer Antwort und schaute mir das Herz noch immer an. Es war kaum zu fassen, und ich wunderte mich, wie ruhig McMurdock blieb.
»Dean«, flüsterte ich ihm zu.
Er hörte mich sofort und drehte den Kopf. »Ich wusste, dass du kommen würdest.«
»Wir haben es geschafft. Die Verräter leben nicht mehr. Baphomet wird kein Sieg gelingen. Deine Aufgabe ist erfüllt. Du kannst wieder beruhigt sein, Dean.«
»Ja, es stimmt, meine Aufgabe ist erfüllt. Ich weiß es, und ich habe mich lange darauf vorbereiten können.« Genaueres sagte er noch nicht. Statt dessen umfasste er den schräg stehenden Deckel der Truhe und klappte ihn nach vorn.
Beide Teile passten perfekt zusammen. Ich hatte das Herz gesehen, und das reichte mir. Neben mir stand Dean McMurdock auf. Ich sah ihm an, dass er noch etwas sagen wollte. Zuvor legte er mir die Hand auf die rechte Schulter.
»Hörst du die Stimmen, John?«
»Ja.«
»Sie rufen mich. Es sind meine Freunde. Es sind die Geister der schottischen Garde, die auch den Letzten aus ihren Reihen zu sich rufen. Ich habe in dieser Welt nichts verloren. Der Engel hat mich geleitet und mich am Leben gehalten, weil er etwas gutzumachen hatte. Nun ist es vorbei, auch dank deiner Hilfe. Ich werde eingehen in das andere Reich und meine Freunde wiedertreffen.«
So hatte ich mir den Abschied nicht vorgestellt, und ich blieb nicht unberührt davon. Ich drehte den Kopf, um auf Nadine zu schauen. Ihr Nicken reichte aus, um die Worte des Schotten zu bestätigen.
So wie jetzt würden wir uns nie mehr wiedersehen.
Er umarmte mich. »Leb wohl, John, leb wohl. Geh du deiner Aufgabe nach. Tue auch im neuen Jahrtausend weiterhin das, wozu du bestimmt bist. Ich werde es vielleicht beobachten.«
Meine Kehle war rauh geworden. McMurdock wandte sich um. Er ließ mich los und ging auf Nadine zu, die er zum Abschied auf die Wangen küsste.
»Lebe auch du wohl, Königin von Avalon. Es war so wunderbar, dich erlebt zu haben…«
Nadine streichelte sein Gesicht. Ich glaubte, Tränen in ihren Augen zu sehen, aber das Lächeln des Schotten sah leicht und locker aus, als er zuerst zwei Schritte zurückging, dann zur Seite trat und in die Runde deutete.
»Sie rufen mich. Sie rufen mich immer stärker.« Er legte den Kopf zurück und hob die Arme an. Er bewegte sie im Kreis. »Sie sind da, ich kann sie noch nicht sehen, aber bald, bald wird…«
Er brach mitten im Satz ab und fiel auf die Knie. Nadine und ich erlebten, wie sie ihn holten…
***
Mit einer wilden Bewegung löste der Abbé seine Hand aus dem Griff des Mannes neben ihm. Er sprang vom Sessel auf, lief nach vorn und blieb stehen. Er atmete heftig. Er hustete und beugte sich nach vorn wie jemand, dem übel geworden war.
De Salier war sofort bei ihm und zog ihn zurück. Dabei hob er ihn an, drehte ihn und schaute in sein Gesicht. Es war schweißnass. Der Blick flackerte, aber Angst zeigte er nicht. Der Abbé wollte sich auch nicht setzen, er blieb stehen und flüsterte: »Ich habe es gesehen. Ich habe nach Avalon schauen können, und ich sah John Sinclair, der den Weg dorthin gefunden hat. Ich sah auch Nadine Berger, ich sah das Herz der Jungfrau und den Mann, der damals einen Eid auf sie geschworen hatte. Ich hörte ihre Stimmen, und Nadine sprach davon, dass sich der Kreis geschlossen hat. Verstehst du das, Godwin?«
»Nicht direkt.«
»Es ist vorbei. Das Herz wird für immer seine Ruhe haben. Auch der letzte Beschützer wird eingefügt in die Reihe des Schicksals. Wir alle hier können wieder beruhigt sein, und das werde ich auch Father Ignatius in Rom sagen müssen.«
»Wann willst du…«
»Sofort, Godwin, sofort…«
De Salier wusste,
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