1141 - Die Königin von Avalon
dass es keinen Sinn hatte, den Abbé von irgend etwas abhalten zu wollen. Was er sich in den Kopf setzte, führte er durch. Und der Templer musste zugeben, dass das Telefongespräch mit Rom verflixt wichtig war…
***
Wir konnten und wir durften auch nichts tun. Wir waren zu Zeugen geworden, die miterlebten, wie auch der überlebende Rest einer Vergangenheit seinen Frieden fand, der ihm zustand. Es war das Ende des schottischen Templers Dean McMurdock, der darauf wartete, dass man ihn holte.
Sie ließen sich nicht lange bitten. Sie waren plötzlich da, ohne dass ich sie genau sah. Ich merkte nur, wie sich meine Haut bis zu den Zehenspitzen zusammenzog, als plötzlich das helle Licht als weicher Schein von der Decke herabsank und den knienden Schotten wie einen Mantel umfing.
Es ließ ihn so anders aussehen. Er kam mir vor wie von einem Blitz auf dem Fotoapparat getroffen, so weiß, konturenscharf, doch dieses Bild war bald verschwunden.
Vor unseren Augen verwandelte er sich. Sein Körper zuckte mehrmals, und die Haut verlor ihre normale Farbe. Er hatte sehr lange gelebt und im krassen Gegensatz dazu stand der schnelle Tod, der ihn holte, als hätte er es früher versäumt, um jetzt etwas nachzuholen.
Er fiel. Die Haut löste sich auf. Knochen erschienen, und ihre Verwesung lief ebenfalls wie im Zeitraffer ab.
Nur das Licht war da. Es schwamm wie ein Oval über den Resten des Mannes und zog sich erst dann zurück, als von Dean McMurdock nichts mehr zu sehen war.
Allerdings zu spüren. Zumindest für mich, denn der kalte Hauch streifte mein Gesicht als letzter Abschiedsgruß eines tapferen Mannes, der endlich seinen Frieden gefunden hatte…
***
Wir hatten die Gruft verlassen und dabei geschwiegen. Nadine und ich waren Hand in Hand gegangen, doch die Gedanken an frühere Zeiten wollten mir nicht in den Sinn. Zu stark belasteten mich noch die Erinnerungen an das Erlebte.
Niemand würde sich noch auf die Suche nach dem Herz der Jungfrau machen. Wenn doch, dann würde man es nicht finden.
Irgendwann erreichten wir das Tor. Ich hatte Nadine noch von den Conollys berichtet, und immer wenn sie mir eine Antwort gab, hatte Wehmut aus ihren Worten mitgeklungen. Obwohl sie die Zeit bei den Conollys als Wölfin erlebt hatte, dachte sie noch immer daran zurück. Manchmal sogar mit Wehmut.
Am Tor fragte ich sie. »Was ist? Hast du keine Sehnsucht mehr nach dem anderen Leben?«
»Nein, John, bestimmt nicht. Alles Gute für dich, auch in den nächsten Jahren…«
Ich spürte noch ihren Kuss, dann drückte sie mich von sich, und ich ging automatisch tiefer in das Tor hinein. Für eine kurze Zeitspanne verschwand die Umgebung vor meinen Augen, um ebenso schnell zurückzukehren.
Ich stand noch immer im Durchgang. Diesmal jedoch auf der anderen Seite, und dort erwartete mich mein Freund Suko. Er sagte nichts und versuchte, an meinem Gesicht zu erkennen, wie es gelaufen war.
Er hatte den richtigen Riecher, denn er fragte: »Ich glaube schon, das alles klar ist - oder?«
»Jetzt bestimmt.«
»Und McMurdock?«
Unbewusst richtete ich meinen Blick gegen den wolkigen Himmel. »Ich denke, dass er seinen Frieden gefunden hat, Suko. Und das für immer und ewig.«
»Dann ist ja alles klar.«
»Du sagst es, mein Freund…«
ENDE des Dreiteilers
[1] Siehe John Sinclair Nr. 1139 »Das Herz der Jungfrau«, John Sinclair Nr. 1140 »Der Rächer des Engels«
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