1143 - Grabmal des Grauens
Künstler besonders viel Mühe gegeben hatte.
Der Steinmetz musste ein wirklicher Meister seines Fachs gewesen sein, denn er hatte den Gesichtern einen gewissen Ausdruck verliehen, auch wenn der Reporter damit nicht viel anfangen konnte, weil er ihn einfach nicht mochte.
Bei einem quollen die Augen weiter hervor als bei dem anderen. Die glatten Köpfe wirkten wie Kugeln. Nasen waren zu sehen, ebenso offene Münder. Die vier standen zwar starr, aber sie waren so geschaffen worden, dass es für den Betrachter aussah, als wären sie in Bewegung gewesen und aus ihr heraus erstarrt.
Ein wirklich ungewöhnliches Bild. Und es wurde noch ungewöhnlicher durch eine Zugabe, bei der Bill schon seine Schwierigkeiten hatte, sie einzuordnen, weil er nie auf den Gedanken gekommen wäre, sein Grab so zu schmücken.
Alle vier waren dem Teufel irgendwo nachgebildet, denn aus ihren Stirnen wuchsen kleine, nach außen gekrümmte Hörner.
Dieses Motiv hatte Bill so fasziniert oder auch negativ beeinflusst.
Wer so etwas als sein Grab auf den Friedhof stellte, der hatte etwas zu verbergen oder wollte auf etwas Bestimmtes hindeuten. Möglicherweise auf die Hölle.
Es gab unzählige namenlose Gräber auf der Welt. Dieses gehörte nicht dazu. Hier musste eine Familie oder Mitglieder einer Familie in der Erde liegen, denn Bill konnte am Grabanfang den Namen Hopper deutlich in eine Steinplatte eingraviert lesen.
Es war ein Motiv, das etwas Böses vermittelte, und dazu eine gewisse Gewaltbereitschaft, denn eine der vier Figuren war tatsächlich bewaffnet.
Es war die, die im Hintergrund stand. Etwas erhöht, so dass sie über die anderen hinwegschauen konnte. Die Gestalt hatte ihren Körper etwas zurück gedrückt und die Arme erhoben. Mit beiden Händen hielt sie den Griff eines mächtigen Beils umklammert, wie Bill es bei Henkern aus vergangenen Zeiten gesehen hatte.
Ein Henkerbeil also.
Und zum Schlag erhoben.
Sogar so gut hergestellt, dass es aussah, als wollte die Figur damit jeden Augenblick zuschlagen. Selbst Bill, der in seinem Leben einiges mitgemacht hatte, erinnerte sich daran, dass er etwas Seltsames gespürt hatte, als er das Grab fotografiert hatte. Es war ein Hauch gewesen. Ein Eishauch. So etwas wie der Hauch des Todes, der ihn erwischt hatte.
Er hatte darüber nicht weiter nachgedacht, weil er durch das Motiv einfach zu stark fasziniert gewesen war. Nun jedoch, in der Stille des Arbeitszimmers, kehrte die Erinnerung wieder zurück und er bekam sogar eine leichte Gänsehaut.
Er runzelte die Stirn, drehte den Blick von der Fotografie aber nicht weg. Mit der rechten Hand fasste er nach seinem Weinglas, gönnte sich einen Schluck und schaute dann wieder hin.
Das Bild lag noch genau so vor ihm wie vor einigen Minuten. Er hatte es nicht verschoben und dabei in ein anderes Licht gerückt. Trotzdem war etwas passiert.
Auf dem Schreibtisch und auch über das Bild hinweggezogen, malte sich ein Schatten ab. Er hatte seinen Ursprung nicht am Grab, sondern am Motiv, und er war die ganze Zeit über nicht vorhanden gewesen.
Jetzt schon…
Nachdem Bill seine erste Überraschung überwunden hatte, folgte er dem Schatten vom Beginn an bis zu seinem Ende. Es war nicht einfach nur ein Schatten, da steckte mehr dahinter, denn auf dem Bild und auch über den Rand hinweg malte sich ein bestimmter Gegenstand ab, der auch auf der Fotografie zu sehen war.
Der Schatten des Beils!
Als Bill das glasklar erkannt hatte, blieb er zunächst sitzen, ohne sich zu rühren. Er lauschte seinem eigenen Herzschlag und merkte erst jetzt, dass er seine Hände flach auf die Oberschenkel gelegt hatte. Dennoch schwitzten die Handflächen.
War das normal?
Bill ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er sich wieder bewegte.
Noch berührte er das Bild nicht und schaute sich die Lampe an, die ihr Licht über den Schreibtisch streute. Es konnte durchaus daran liegen, was natürlich nicht stimmte, denn in den Lichtschein war kein Gegenstand hinein geraten, der diesen Schatten hätte werfen können. Er ging allein von dem Bild aus.
Ohne Grund?
Der Reporter sammelte seine Gedanken. Er mußte jetzt klar und nüchtern bleiben und durfte sich nicht von Gefühlen leiten lassen. Zuviel Wein hatte er auch nicht getrunken. Sein Wahrnehmungsvermögen war durchaus in Ordnung. Er berührte das Bild am unteren Rand und schob es leicht nach rechts zur Seite hin.
Jetzt hätte der Schatten weiterwandern müssen, wäre er durch das Licht hergestellt worden, aber das
Weitere Kostenlose Bücher