1143 - Grabmal des Grauens
dürfen sie nicht töten!«, zischte ich.
»Nur als Rückendeckung, John.«
»Okay.«
Auch Anne Hopper hatte die Veränderung ihrer Tochter bemerkt. Die Starre hatte sie ablegen können. Aus großen Augen blickte sie auf ihre Tochter und dabei auch auf die Waffe. Die Vorzeichen hatten sich umgekehrt. Jetzt ging von der Tochter die Gefahr aus und nicht von der Mutter.
Wenn es stimmte, was mir die Geister der Toten übermittelt hatten, dann würde sich Marion gegen ihre Mutter wenden, um sie zu töten.
Was heißt Marion? Das war sie gar nicht. Das war eine andere Person.
Nur äußerlich erinnerte sie an Marion. Tatsächlich aber hatte der Geist des verdammten Amokläufers sie übernommen.
Sie suchte noch.
Marion sah mich. Sie sah das Kreuz. Sie zuckte leicht zusammen, aber sie kam nicht auf mich zu.
»Kind, was machst du…?«, rief Anne Hopper. »Du… du… willst doch nicht hier…«
Als Antwort fletschte die Veränderte ihre Zähne. Auch der Ausdruck in den Augen hatte gewechselt. Er war jetzt so klar, blank, und auch verdammt grausam.
Sie drehte sich Anne zu.
Ich ging nach vorn.
Marion hob das Beil an.
Ich schritt weiter.
Und ich nahm wahr, wie Anne Hopper hilflos die Arme hob, um mit dieser verzweifelten Geste zu beweisen, dass sie den Schlag abwehren wollte. Sie drückte sich seitlich gegen die Sessellehne, doch auch in dieser Haltung hatte sie nicht die Spur einer Chance.
Bill hielt es kaum aus. Er zielte auf die Person, aus deren Mund ein krächzender Laut drang. Sie beugte ihre Arme zurück. Die Beilklinge schwebte jetzt dicht unter der Decke, und sie würde mit irrer Gewalt nach unten fahren.
Ich war schneller.
Ein letzter Sprung brachte mich in ihre direkte Nähe, und dann packte ich zu.
Ich wollte die Frau nicht töten. Sie musste gerettet werden, aber der Geist des Toten sollte ihren Körper verlassen. Alles andere zählte in diesem Fall nicht.
Der harte Griff meiner linken Hand hatte ausgereicht. Durch die Wucht getrieben, taumelte sie einige Schritte zur Seite, und ihre Füße schleiften über den Teppich. Halt fand sie nicht mehr. Sie prallte gegen die Wand und riss ein Bild herab.
Dann kam sie wieder hoch - und schaute auf das Kreuz!
Es befand sich so dicht vor ihr, dass sie es hätte anfassen können. Das wollte sie nicht. Sie war auch nicht vor Schreck erstarrt, denn abermals riss sie das verdammte Beil in die Höhe, wie es ihr befohlen worden war.
Ich drückte ihr das Kreuz gegen die Brust!
Es war der Anfang vom Ende des mordenden Geistes. Die Frau selbst schrie nicht, aber ihr Gesicht wurde eingehüllt von einem strahlenden Kranz aus Licht, durch das ein dunklerer Schatten glitt, der Schreie ausstieß. Ich hörte sie zuerst noch laut um meine Ohren tanzen, aber sie wurden sehr bald leiser, je weiter sich der Geist des Killers entfernte und dabei in eine Welt eintauchte, aus der es für ihn kein Zurück mehr gab.
Ich trat etwas zurück. Komisch, auf einmal war alles so leicht gewesen. Wir konnten wieder frei durchatmen. Auch aus dem Jenseits würde kein Amokläufer mehr zuschlagen.
Etwas polterte vor mir auf den Boden. Es war das verfluchte Beil. Ein Stück blutige Erinnerung, dem Marion Hopper nachschaute und dabei den Kopf schüttelte.
Ich führte sie von der Wand weg. Ob sie sich erinnerte, was hier passiert war, das wusste ich nicht genau, aber sie kam auf das Beil zu sprechen. Ihre Stimme zitterte bei jedem Wort. »Ich will es nicht mehr sehen. Schafft es weg. Verbrennt und zerstört es. Ich… ich will nichts damit zu tun haben.«
»Das werden Sie auch nicht mehr müssen, Marion.«
Scheu blickte sie mich an, um sofort danach in die Arme ihrer Mutter zu fallen wie ein kleines Kind.
Mit dieser Geste hatte der Fall auch für Bill und mich einen befriedigenden Abschluss gefunden. Beide Hauptpersonen hatten überlebt. Es würde keine Familienrache der Hoppers mehr geben.
Bill grinste mich an. »Möchtest du auch einen Drink, John?«
»Jetzt ja, denn den haben wir uns verdient.«
»Du sagst es, Geisterjäger…«
ENDE
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