1144 - Der Rächer aus dem Morgenland
schaute ins Leere. Das Licht hatte mein Wohnzimmer gemütlich werden lassen, aber meine Ruhe war dahin. Blochs Anrufe hatten mich aufgewühlt. Ich fragte mich, ob es nicht besser war, wenn ich mir schon jetzt Informationen einholte. Die Polizeistationen im gesamten Königreich waren mit einem Zentral-Computer verbunden, der bei Scotland Yard stand. So konnte jeder Vorfall rasch per E-Mail weitergeleitet und auch ausgedruckt werden.
Das Büro war Tag und Nacht besetzt. Auch am Abend bekam ich sofort Anschluss.
»Sinclair hier und…«
»0 nein!«
»Doch, Kollege, kein Scherz.«
»Worum geht es diesmal?«
Ich gab eine kurze Erklärung ab, und der Mann war überrascht, denn er fragte: »Mehr nicht?«
»Nein.«
»Ich rufe zurück.«
»Gern.«
Wieder musste ich warten. Die Schummerbeleuchtung verschwand, als ich die Lampe unter der Decke einschaltete. Ob der Abend gerettet war, wusste ich nicht. Es kam einzig und allein auf die Auskunft des Kollegen an, die ich mit Spannung erwartete.
Nach knapp zehn Minuten meldete sich das Telefon erneut. Ich hatte meinen Namen noch nicht richtig ausgesprochen, da hörte ich bereits das leise Lachen.
»Nichts, Mr. Sinclair. Es ist auf der Isle of Wight nichts passiert, was Sie oder uns interessieren könnte. Die Insel ist so ruhig wie ein See bei Windstille.«
»Kann man nichts machen.«
»Was haben Sie denn erwartet?«
»Keine Ahnung. Es war auch mehr ins Blaue hinein gefragt. Herzlichen Dank.«
»Sollen wir denn am Ball bleiben?«
»Sagen wir so. Ich melde mich morgen bei den Kollegen von der Tagschicht noch einmal.«
»Akzeptiert. Eine angenehme Nacht dann ohne Alpträume.«
»Danke, Ihnen das Gleiche.«
»Ich habe bald Schluss und gehe noch auf einen Geburtstag. Wird 'ne harte Sache.«
»Dann trinken Sie einen für mich mit.« Lachend unterbrach ich die Verbindung. Doch das Lachen war nicht aus Fröhlichkeit heraus geboren. Es gab schon etwas, das mich nachdenklich machte.
Abbé Bloch hatte bestimmt nicht aus Spaß angerufen. Und wenn ich auf mein Gefühl lauschte, dann war es alles andere als gut…
***
Es gab etwas, auf das Tommy Holland besonders stolz war. Das war der 2CV, auch Ente genannt.
Ein französisches Kultauto, das leider nicht mehr gebaut wurde. Vor einem halben Jahr, als er seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert hatte, da hatten ihm seine Eltern einen Traum erfüllt und ihm die Ente geschenkt.
Darin fühlte er sich wie ein König in einem Schloss, wenn er über die Insel fuhr. Man lachte ihn nicht aus, denn die Ente hatte wirklich Kult-Status bekommen, und jeder Freund oder Bekannte wollte irgendwann einmal mitfahren.
Tommy, der seine Haare noch immer lang und im Nacken zu einem Zopf gebunden trug, stand eigentlich mehr auf Mädchen. Besonders auf die um ein Jahr jüngere Peggy Shaw. Er hatte sie schon immer in der Schule angebaggert, war jedoch stets auf Granit gestoßen. Mit der Ente sah das anders aus. Da hatte Peggy sich zu einer abendlichen Fahrt überreden lassen. Sie tat zwar immer so lässig, in Wirklichkeit aber fand sie es super, durch die Straßen von Newport zu rollen und die Kurven besonders stark zu erleben.
Nachdem es dunkel geworden war, hatten sie in einem Schnellimbiss gehalten und zwei Cola getrunken. Eigentlich hatte Peggy danach nach Hause gewollt, aber Tommy hatte sie überreden können, wieder in den Wagen zu steigen.
»Und wohin willst du mich schleppen?«
»In die Nähe der Ruine und der Kirche.«
»Welcher?«
»St. Olave's Church.«
»Was sollen wir denn da?«
»Mal sehen.«
Peggy schob den leeren Trinkbecher zur Seite und schaute Tommy hart an. Sie war ein Mädchen mit kurzen, rotblonden Haaren und grünen Augen. Die Sommersprossen machten ihr Gesicht interessant, in dem auch der Mund mit den vollen Lippen auffiel. Ihre Figur hatte schon die Formen einer ausgewachsenen Frau, und Tommy hatte mehr als einmal auf die Hügel unter dem Pullover geschaut.
Auch jetzt, und das gefiel Peggy nicht. »Hör mal zu, Tommy. Anmachen ist nicht, verstehst du?«
Er schüttelte den Kopf. »Quatsch, wieso…?«
»Weil ich dich kenne. Du bist scharf auf mich.«
Das Gesicht des braunhaarigen Jungen zeigte ein kleines Grinsen. »Wer ist das nicht?«
»Weiß ich auch. Aber ich habe einfach keine Lust. Ich will es nicht, und das musst du akzeptieren.«
»Fährst du trotzdem mit?«
»Ja.«
»Super.«
»Freu dich nicht zu früh.«
Sie war dann in den Wagen eingestiegen. Tommy hatte dabei nach den Kondomen in der rechten
Weitere Kostenlose Bücher