1145 - Das Haus der Selbstmörder
hin. Sie hatte ihre Sicherheit verloren. Andere Mächte hatten sich Jane als Ziel ausgesucht, und Suko riet ihr, sich dagegen zu wehren.
Jane stand noch immer dicht an der Treppe. Breitbeinig, um einen besonderen Halt zu bekommen.
»Nein, ich wehre mich nicht. Es gibt für uns nur diese Lösung.« Sie streckte ihren Arm vor. »Dahinter liegt die andere Welt. Ich gehöre zu den Toten.«
»Du bleibst!«
In Janes Augen funkelte es. Dann nickte sie plötzlich. Suko konnte sich vorstellen, dass eine Macht aus dem Jenseits wieder mit ihr Kontakt aufgenommen hatte.
»Ja, ich komme!«
»Ich lasse dich nicht durch!«
Jane hatte den Satz verstanden. Böse starrte sie Suko an. Sehr langsam schüttelte sie den Kopf. »Du wirst mich durchlassen müssen, Suko. Das ist der Weg. Die Toten haben hier das Kommando. Es ist ihre Welt, und wir Menschen können uns nicht dagegen wehren. Auch du wirst mich nicht aufhalten!« Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als sie mit einer sehr schnellen Bewegung ihre Waffe zog und die Mündung auf Suko richtete.
»Geh aus dem Weg!«
Suko ärgerte sich. Er befand sich in einer Zwickmühle. Jane hatte den Sinn für die Normalität und auch für die Realität verloren, und er musste zugeben, dass die Stimmen der Toten verdammt viel Macht ausübten.
»Geh weg, Suko!«
»Du willst doch nicht schießen?«
»Doch!«
»Nein, Jane, das bist nicht du. Das sind die anderen. Die Stimmen der Toten. Denk daran, dass sie dich nicht retten, sondern einfach nur vernichten wollen. Sie haben etwas mit dir vor, Jane, denn sie brauchen dich einfach, wofür auch immer.«
»Mach den Weg frei!« Jane Collins ließ sich auf keinen Kompromiss ein, und Suko war plötzlich überzeugt, dass sie auch schießen würde. Er las es in ihren Augen ab, die nicht mehr den Blick besaßen wie er ihn kannte. Dort zeigte sich die Veränderung. Bedingt durch eine unbeugsame Härte und den Willen, alles durchzusetzen.
»Es ist gut, Jane.«
»Was ist gut?«
»Du kannst gehen. Ja, geh. Du kannst die Welt der Toten besuchen. Sie rufen dich ja. Sie sind deine Freunde. Versuche selbst, mit ihnen klarzukommen.«
Janes Lippen zogen sich in die Breite. Sie zeigten ein hartes Grinsen, das Suko von ihr normalerweise nicht kannte. Es war bösartig und bewies ihm auch, dass sich Jane durch nichts von ihrem Entschluss, der nicht ihr eigener war, abbringen ließ.
Es war nicht viel Platz vor dem Fenster. Sie musste nur zwei Schritte gehen, um in Sukos Nähe zu gelangen. Ihr Blick sagte ihm, dass sie bereit war, zu schießen.
Er nickte ihr beruhigend zu und trat dann mit einer langsamen Bewegung zur Seite. »Bitte, der Weg ist frei.«
»Das wollte ich auch.«
Sie ging jetzt schneller. Aus dem Grinsen war ein erwartungsfrohes Lächeln geworden, und sie brauchte wirklich nur noch eine halbe Körperlänge, um auch die letzte Distanz zu überwinden. Da griff Suko ein.
Er fasste nicht nach dem Stab, um Jane zu stoppen, es gab noch eine zweite Möglichkeit.
Aus dem Gelenk schleuderte er die drei Riemen der Peitsche in die Höhe. Dass er diese Waffe meisterhaft beherrschte, hatte er oft genug bewiesen. Auch in diesem Fall lieferte er so etwas wie ein Meisterstück. Vielleicht hatte Jane die Bewegung noch aus dem Augenwinkel mitbekommen, ihr entwischen konnte sie jedoch nicht. Dafür waren die drei Peitschenriemen einfach zu schnell.
Blitzartig wickelten sie sich um die Waffenhand, und Suko riss den Griff sofort in die Höhe. Er hörte den schon quietschenden Schrei der Detektivin, als die rechte Hand mit der Pistole hochgeschleudert wurde.
Da war Suko schon bei ihr. Er griff zu und drehte das Gelenk zur Seite.
Wieder schrie Jane auf.
Das Echo schwebte noch in der Luft, als die Pistole zu Boden fiel und Suko sie an sich nahm.
Aber Jane gab nicht auf. Auch sie hatte Kraft, und sie zerrte Suko plötzlich auf sich zu. Dabei hatte sie Glück, denn Suko war auf dem falschen Fuß erwischt worden. Er torkelte Jane entgegen, die nicht stehen blieb und sich nach vorn warf. Genau in das Licht hinein.
»Die Toten rufen!«, schrie sie und tauchte zusammen mit Suko ein in die gelbe Masse…
***
Eine Erkenntnis fraß sich in mir fest, als ich die Würmer aus den Öffnungen kriechen sah: Ich war zu spät gekommen. Die Parasiten dieses Friedhofs hatten den Mann bereits übernommen und waren durch seinen Rücken bis tief in den Körper hineingekrochen, wo sie ihr zerstörerisches Werk weiterführten.
Sie hingen in der Nase, auch in der Kehle.
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