1147 - Zirkel der Untoten
Schluchzgeräusche zu unterdrücken.
Suko stand neben dem Sessel. So blass wie er war ich ebenfalls, und ich fühlte mich verdammt mies. Das hier war eine Situation, der ich am liebsten durch einen Rutsch in den Erdboden entflohen wäre.
Mrs. Harris hatte nur wenig gesprochen, aber mit einer Frage hatte sie schon Recht gehabt. Wie war es möglich, dass ein Mensch, der nur mit einer Erkältung im Bett lag, so plötzlich verstarb? War das Fieber urplötzlich in die Höhe geschossen, oder steckte etwas anderes dahinter?
Die Hände der Frau rutschten langsam nach unten. Aus tränennassen Augen schaute sie ins Leere.
»So schlimm war er nicht krank, das hat auch der Doktor gesagt. Er sprach vom Fieber, auch von einem Virus. Ich weiß das alles, aber er war schon wieder auf dem Weg der Besserung. Ja, das war er.« Sie nickte. »Es gab Nächte und Tage, in denen er nicht geschlafen hat, überhaupt nicht. Da hat er sich nur gequält. Und jetzt konnte er wieder schlafen. Ich bin darüber froh gewesen. Wenn es ihm so schlecht gegangen wäre, hätte ich doch nicht angefangen, die Wohnung zu putzen. Nein, das hätte ich nicht.« Wieder begann sie zu weinen.
Suko gab ihr ein Taschentuch. Sie schnäuzte die Nase, presste das Tuch gegen die Augen, und ihre Lippen bewegten sich weiterhin zitternd, ohne dass sie etwas sagen konnte.
Je mehr ich über den Fall nachdachte, umso rätselhafter erschien er mir. Die Menschen, die hier lebten, waren in der rauen Natur aufgewachsen. Man konnte sie durchaus als abgehärtet bezeichnen.
Da warf sie eine fiebrige Grippe nicht um.
Ich hatte die Leiche bisher noch nicht angefasst. Ich wollte es tun und ging zu dem Toten hin, aber die schluchzende Flüsterstimme der Frau vereitelte dies. Sie sprach die Worte zwischen hektischen Atemzügen. Suko und ich mussten schon sehr genau hinhören, um sie überhaupt verstehen zu können.
Was wir hörten, ließ uns beide aufhorchen, und wir schauten uns auch fragend an.
»Er hätte nicht hingehen sollen. Ich habe es ihm gesagt. Aber er hat nicht auf mich gehört. Er war so dienstbeflissen. Ich bin der Polizist, hat er gesagt. Ich muss wissen, was hier im Dorf und in seiner Nähe vorgeht.«
»Wo hätte er denn nicht hingehen sollen?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
»Zu diesem… diesem… Licht.«
»Bitte?«
»Ja. Es war ein Licht.«
»Was für ein Licht?«, fragte Suko.
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich auch nicht genau. Irgendwo außerhalb des Dorfes. Auch an der Küste, da hat es dieses komische Licht gegeben.«
Wir waren beide aufmerksam geworden, und ich fragte: »Was hat Ihr Mann denn erzählt, als er zurückkehrte?«
Mrs. Harris wischte Tränen aus ihren Augen. »Nichts hat er gesagt. Er hat geschwiegen. Er war anders geworden. So verschlossen.«
»Wann ungefähr ist das geschehen?«
Sie brauchte nicht lange zu überlegen.
»Vor einigen Wochen passierte es. Aber nicht im letzten Jahrhundert. Das kann ich beschwören.«
Ich beugte mich zu ihr herab. »Noch mal zu dem Licht…«
»Das habe ich nicht gesehen!«, flüsterte sie. »Nur mein Mann. Ich habe es nicht gesehen.«
»Das glauben wir Ihnen auch, Mrs. Harris. Aber Ihr Mann muss doch mit Ihnen darüber gesprochen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es einfach nur hingenommen hat, ohne Ihnen zu sagen, was da alles passiert ist.«
»Das war so.«
Ich wollte nicht weiter in sie drängen und drehte den Kopf zur Seite. Suko übernahm meine Aufgabe. Vielleicht auch, weil die Frau ihn plötzlich anschaute. In ihrem Blick lag so viel Verzweiflung, dass einem schon Angst werden konnte.
»Es ist schon okay, Mrs. Harris«, sagte Suko mit leiser Stimme. »Sie müssen auch uns verstehen, und das werden Sie als Gattin eines Polizisten auch können. Wir müssen zusammenhalten, Mrs. Harris. Das Licht ist nun mal wichtig. Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?«
»Bitte.«
»Ich glaube daran, dass es diese Quelle gegeben hat. Ihr Mann hat sie ja besucht. Aber ist er der einzige gewesen? Oder gibt es andere Menschen aus dem Ort, die das Licht ebenfalls gesehen haben? Es wäre wichtig, wenn ich da eine entsprechende Antwort erhalten könnte, damit wir dem Übel auf den Grund gehen können.«
Die Frau tupfte Tränen aus ihren Augen. Sie gab sich wirklich Mühe, nachzudenken und ihre eigenen Probleme hintenanzustellen. Leider kam nichts dabei heraus. Sie hob irgendwann die Schultern und flüsterte: »Das weiß ich alles nicht. Es kann sein, dass noch andere
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