1149 - Begraben, aber nicht vergessen
sahen wir erst jetzt, mit Kreuzen bestückt.
Russische Kreuze. Bestehend aus einem Längs- und drei Querbalken. Jedes Haus war damit bestückt, als stände hier auf der Insel ein Bollwerk gegen das Grauen.
Es war und blieb dunkel. Die Sonne schien sich dafür zu schämen, ihre Strahlen gegen die Insel zu schicken. Als eine Gefahrenquelle sah ich sie nicht unbedingt an, aber es war für uns beide schwer, mit diesem Aussehen zurechtzukommen.
Auch Karina hatte so ihre Probleme. Sie schüttelte den Kopf, bevor sie fragte: »Was denkst du, John? Was, zum Teufel, denkst du über diese Insel?«
»Nicht viel.«
»Und das wenige?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass man uns hier unbedingt feindlich gesinnt ist.«
»Genau das ist auch mein Problem. Wer sich Kreuze auf die Dächer setzt, kann nicht so schlimm sein.«
Ich gab ihr Recht, fügte aber hinzu: »Und trotzdem gibt es die lebenden Leichen.«
»Ist das unlogisch für dich, John?«
»In gewisser Weise schon.«
»Aber einen Bewohner kennen wir. Und den sollten wir uns vornehmen. Hast du dir gemerkt, wohin er verschwunden ist?«
»Nicht genau.«
»Wir finden ihn trotzdem.«
Es war nicht weit bis zu den Häusern. Man konnte sagen, dass sie in einer Reihe standen, wenn auch nicht auf gleicher Höhe. Manche drängten sich nach hinten, wie auch die seltsame Kirche, die mit ihrem Turm alles überragte. Das Kreuz stand auf dem Kuppeldach, als wollte es dem Betrachter Mut einflößen.
Graue Mauern. Der harte Inselboden war mit Steinen bedeckt. Manche sahen aus wie Grabmäler.
Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich einen Friedhof unter den Steinen vorstellen zu können.
Niemand ließ sich blicken. Auch der Sargträger war verschwunden. Aber es quoll noch immer Rauch aus den Öffnungen der Kaminstümpfe, und Feuer brennt nicht von allein.
Hinter uns leckten die auslaufenden Wellen gegen das Ufer. Dieses leise Klatschen waren die einzigen Geräusche.
Schon nach wenigen Schritten hatten wir vergessen dass wir uns auf einer Insel befanden. Die Stille zwischen den Häusern zog uns in ihren Bann. Etwas war hier vorgefallen, das sich mit der normalen Logik nicht erklären ließ. Man sah es nicht, man spürte es nur. Es lag etwas in der Luft.
Der Boden unter unseren Füßen war glatt und trotzdem rissig. Die letzten Schneeflächen sahen aus wie graue, vergessene Tücher. Es flogen keine Vögel durch die Luft. Das Schreien, das uns auf dem Wasser begleitet hatte, war verschwunden.
Wir gingen tiefer in das Nest hinein. Jeder Schritt kam uns laut vor. Der schwache Wind wehte uns hin und wieder den Geruch aus den Kaminen entgegen.
Karina hielt sich links von mir. Sie hatte wieder ihre Waffe gezogen, die Mündung zeigte allerdings nach unten. Ein Ziel war nicht zu sehen.
Für mich war die Kirche wichtig. Zumindest ging ich davon aus, dass es eine Kirche war. Nicht nur das Dach bestand aus einer Kuppel, auch die Mauern waren rund gebaut. Keine normale Kirche.
Das Wort »Gotteshaus« wollte mir nicht in den Sinn kommen. Dazu war alles zu fremd, zu wenig vertrauenerweckend, zu düster.
Hier lebten die Dunklen Apostel!
Wie viele waren es? Auch zwölf? Wurde hier die Zahl ad absurdum geführt?
Es schimmerte etwas hinter den Fenstern der Häuser. Sehr schwache Lichtreflexe. Auch auf dieser Insel gab es keinen elektrischen Strom. Die Bewohner mussten Feuer in den Kaminen angezündet haben, aber niemand ließ sich im Freien blicken. Bisher hatten wir nur eine einzige Gestalt zu Gesicht bekommen.
Wir erreichten den Rundbau der Kirche, der mich irgendwie an ein Gotteshaus der Templer erinnerte. Das alte Gestein hatte der Natur getrotzt. Es lag eine Patina darauf, und an einigen Stellen klebten auch Schneereste an den Wänden.
Die Kirche hatte auch Fenster. Die allerdings lagen für uns zu hoch. Um hineinschauen zu können, hätte Karina schon auf meine Schulter steigen und sich dann noch recken müssen.
Auf diese Aktion verzichteten wir. Außerdem gab es tatsächlich einen Eingang.
Karina grinste, als sie die Tür sah. »Das ist schon fast unnormal«, sagte sie.
Die Tür war nicht abgeschlossen. Ich drückte sie nach innen. Karina blieb hinter mir. Sie zielte mit der Waffe in den ungewöhnlichen Bau hinein, um mich zu sichern. Es war nicht nötig, denn einen Angriff erlebten wir nicht.
Wir schoben uns über die Schwelle. Innen war es nicht viel dunkler als draußen. Auch hier verteilte sich dieses seltsame Licht. Es gab keinen Altar. Wir sahen keine Bänke, nur
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