1153 - Die Gruftie-Girls
stehen, weil auch Suko und ihr Sohn nicht mehr weitergingen. Dann kam sie noch einmal auf die Veränderung der Augen zu sprechen. »Stimmt das wirklich mit den Augen?«, flüsterte sie. »Haben sie sich verändert?«
»Ja, sie wurden schwarz.«
Edna Gentry bekam eine Gänsehaut. »Das kann ich nicht begreifen. Ist mir zu hoch. Aber ich frage mich inzwischen, ob diese Schwarzen wirklich so harmlos sind, wie mir mein Sohn immer weismachen wollte. Das glaube ich jetzt nicht mehr.«
»Wir werden sehen.«
Nach dieser allgemein gehaltenen Antwort schauten wir Elmar an, der nach dem Zimmerschlüssel suchte und ihn schließlich in den Tiefen seiner Hosentasche fand. Er schloss auf und stieß auch die Tür nach innen.
»Nach dir«, sagte Suko.
Elmar ging vor. Er bewegte sich langsam, und Suko folgte ihm auf dem Fuß. Mrs. Gentry und ich gingen ebenfalls. Ich hörte nur, wie sie sagte: »Machen Sie sich auf etwas gefasst, Mr. Sinclair…«
Damit hatte sie Recht, denn mir kam es vor, als hätte ich eine andere Welt betreten. Es war die Welt der Düsternis, obwohl das Zimmer mit einem großen Fenster ausgerüstet war. Allerdings sahen wir die Scheiben nicht, weil ein dunkles Rollo sie verdeckte und sich das Tageslicht nur an dessen Seiten ausbreitete, wo es dann einen wolkigen Schimmer hinterließ. Ansonsten war der Raum eine finstere Höhle, der die Körper der Menschen zu Schatten degenerierte.
In der Mitte gab es einen freien Platz. Den hatten Suko und Elmar eingenommen. Sie standen dort auf einem dunklen Boden, und mein Freund wollte auch, dass Licht eingeschaltet wurde.
Das übernahm Mrs. Gentry. Da sie nahe der Tür stand, brauchte sie nur einen Arm auszustrecken, um den Schalter zu finden, den sie nach unten klickte.
Nein, hell wurde es nicht!
Wenn man von einem dunklen Licht sprechen konnte, dann war das zwischen diesen vier Wänden der Fall. Unter der Decke sah die Lampe aus wie ein Knochengerippe. So etwas hatte ich auch noch nicht gesehen. Und an den einzelnen Knochen waren die grau gestrichenen Birnen angebracht worden. Sie steckten in dunklen Fassungen. Was sich da im Raum ausbreitete, machte uns auch nicht viel schlauer, aber wir konnten kaum mehr sehen als bei unserem Eintritt.
Es war wirklich eine Bude, wie sie zu einem Gruftie passte. Da gab es nichts Helles, selbst die Wände zeigten eine dunkle Farbe. Nicht weil sie so gestrichen worden waren, es lag daran, dass Elmar Gentry Tücher davor gespannt hatte. Nicht bei allen Wänden. An einer stand ein dunkel gestrichener Schreibtisch und auch das Bett in der Nähe. Hier war die Wand von einem großen Plakat bedeckt worden, dessen Motiv mir bei diesen Lichtverhältnissen verborgen blieb. Zum Bett gehörte ein Nachttisch, und auf der Platte stand eine Lampe. Sie sah aus wie eine Tüte mit der großen Öffnung nach oben. Als ich sie einschaltete, gab sie ihr Licht ab, und das war nicht dunkel, denn der doch recht breite Stahl fiel genau auf das Plakat.
Mir fiel der heftige Atemzug auf, der aus dem Mund des Grufties floss, um den ich mich allerdings nicht weiter kümmerte, denn das Motiv des Plakats war wichtiger.
Im unteren Teil zeigte es den Ausschnitt einer Bühne. Darauf befanden sich zwei junge Frauen, die nach ihrem Outfit zu schließen, auch zu den Grufties gehörten. Sie produzierten sich dort, hielten Mikros in den Händen und sangen.
Die eine Frau hatte blonde Haare, die andere rote. Die Rothaarige war etwas jünger, was mich nur am Rande interessierte, denn über ihren Köpfen las ich in blutroter Zitterschrift die Namen der beiden. Oder die Künstlernamen.
TWO SINS…
Zwei Sünden also. Mehr brauchte ich nicht zu lesen, um eine Verbindung zwischen der Sünde und Elmar Gentry und den Namen der beiden Grufties herzustellen.
Mrs. Gentry sah, wie ich auf das Plakat deutete. »Kennen Sie dieses Duo?«
»Nein, nie gehört und auch nie gesehen. Ich sagte Ihnen schon, dass mein Sohn seine kleine Welt hier verschlossen hielt.«
»Ja, dafür hatte er wohl seinen Grund.« Hier gab es keine normale Welt. Sogar einen kleinen Altar entdeckte ich. Es war mehr ein Grabstein, auf dem eine drachenähnliche Figur hockte, die von zwei dunklen Kerzen flankiert wurde. Und die Luft in diesem Raum konnte man auch nicht als normal ansehen. Wenn ich einatmete, hatte ich mehr das Gefühl, auf einem Friedhof zu sein, bei dem die modernden Leichen dicht unter der Erde lagen und deshalb auch gerochen werden konnten.
Mir war bekannt, dass es ein Gruftie-Parfüm gab,
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