1153 - Die Gruftie-Girls
wohnen hier mit Ihrem Sohn allein?«, fragte ich.
»Sicher.« Sie warf Elmar einen zweifelnden Blick zu. »Ich bin geschieden, und mein Mann hat uns diese Wohnung hinterlassen. Sie ist bereits bezahlt, sonst könnten wir sie uns nicht leisten. Ich arbeite noch in einem Krankenhaus, und das zumeist in der Nacht. Elmar ist alt genug, um allein zu bleiben, habe ich bisher gedacht, aber das scheint nicht mehr zu stimmen. Von der Polizei ist er noch nicht nach Hause gebracht worden. Obwohl ich ihm das immer angedroht habe, denn seinen Weg kann ich nicht nachvollziehen. Er ist ihn gegangen, ohne auf meine Warnung zu hören, und da muss er in die Szene abgeglitten sein. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.«
»Sie meinen die Grufties oder die Schwarzen?«
»Ja, so sagt man wohl.« Etwas verlegen schaute sie uns an. »Trotzdem weiß ich noch immer nicht, weshalb Sie mir meinen Sohn wie einen Sträfling nach Hause bringen. Bitte, sagen Sie mir, was er angestellt hat.«
Suko redete. »Ihr Sohn Elmar zog in einem fast voll besetzten Lokal ein Messer und wollte wild um sich stechen.«
Es war eine harte und gradlinige Formulierung gewesen, und Mrs. Gentry hatte sie auch verstanden. So sehr, dass sie erbleichte und nervös über das hellblaue Polster des Sessels fuhr, in dem sie saß. Sie wandte sich an ihren Sohn: »Stimmt das, was die beiden Männer da gesagt haben?«
Elmar hob nur die Schultern.
»Demnach stimmt es!«, flüsterte sie.
»Ja!«, bestätigte Suko. »Sie können sich denken, dass…«
Mrs. Gentry ließ meinen Freund nicht ausreden. »Ist denn etwas Schlimmes passiert?«, wollte sie wissen.
»Nein, glücklicherweise nicht. Wir konnten ihn soeben davon abhalten, auf andere Menschen einzustechen.«
»Auf andere Menschen einzustechen«, wiederholte sie Sukos letzte Worte. »Allein die Vorstellung ist für mich furchtbar. Wenn ich daran denke, was alles hätte passieren können…«, sie lief rot an. Sie öffnete den Mund wie jemand, der eine andere Person gleich anschreien will, doch dann schüttelte sie wie resignierend den Kopf. »Ich will mir nicht die Schuld geben und…«
»Pardon«, unterbrach ich sie. »Von Schuld oder Nichtschuld ist hier nicht die Rede gewesen. Ihr Sohn ist zwar jung, aber er ist auch erwachsen. In seinem Alter weiß man für gewöhnlich, was man tut.«
Wir hörten ihr Lachen. »Wusste er das wirklich, Mr…«
Ich nannte unsere Namen, und sie fuhr fort: »Wusste er wirklich, was er da getan hat?«
»Ich denke schon.«
»Aber wildfremde Menschen mit einem Messer anzugreifen! Himmel, das ist nicht mein Sohn. Ihm hat vielleicht in den letzten Jahren der Vater gefehlt, obwohl das auch Unsinn ist, denn mein Mann hat sich kaum um seine Familie gekümmert. Aber man zieht doch nicht so ohne weiteres ein Messer und sticht auf wildfremde Menschen ein. Das ist ja wie ein Amoklauf.«
»Sie haben Recht«, sagte ich, »Ohne weiteres macht man das auch nicht.«
»Ja, und was soll ich davon halten?«
»Sind Sie über das Leben Ihres Sohnes informiert?«
Mrs. Gentry schwieg. Sie brauchte Zeit, um nachzudenken. »Nein, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Ich weiß nicht, was er in der Nacht getrieben hat, wenn ich unterwegs war. Tut mir leid, aber wie Sie schon richtig sagten, er ist erwachsen.«
»Genau, aber er hat auch ein Hobby.«
Mrs. Gentry verzog den Mund. »Ja, ja, es sind die Schwarzen. Ach Gott, es ist ein Hobby…«
»Mehr Weltanschauung«, sagte ich.
»Ja, das auch. Aber schätzen Sie diese denn als so schlimm und prägend ein, dass er darüber alles andere vergisst?«
»Manchmal schon«, musste ich zugeben.
Zum ersten Mal bei diesem Gespräch meldete sich der Sohn. »Lass dir nichts einreden, Edna. Auf keinen Fall.«
»Sei du ruhig.«
»Schon gut.«
Edna Gentry knetete ihre Hände. »Es ist natürlich nicht ungeschehen zu machen, was da passiert ist. Ein Glück, dass Sie in der Nähe waren. Aber was soll jetzt geschehen?«
»Wir suchen nach Gründen«, sagte Suko. »Kein Mensch macht so etwas aus Spaß heraus. Wir beide haben gesehen, dass ihr Sohn kurz vor dem Angriff eine Veränderung durchlebt hat.«
»Ach - wie meinen Sie das denn?«
»Er hatte mit sich zu kämpfen, Mrs. Gentry. Ja, er kämpfte mit seinem eigenen oder mit seinem fremden Ich. Können Sie sich das vorstellen? Da drang etwas in ihm hoch, und es war an seinem Aussehen sehr gut zu merken.«
»Das verstehe ich nicht.«
Suko erklärte es ihr, und er kam auch auf die Sünde zu sprechen, die Elmar
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