1153 - Die Gruftie-Girls
etwas ausgemacht. Es wäre ihm sogar egal gewesen, wenn man ihn festgenommen oder eventuell sogar angeschossen oder erschossen hätte.
Mit seinen dunklen Augen stand er voll und ganz unter dem Einfluss der sündigen Engel und bildete somit eine Gefahr.
So blieb uns nichts mehr anderes übrig, als ihn aus dem Verkehr zu ziehen, bevor er noch mehr Unheil anrichtete.
»Wo finden wir die beiden Sängerinnen?«, fragte ich. »Wo treten sie auf? Es muss doch Kneipen oder Szene-Lokale geben.«
»Es ist nicht für euch bestimmt.«
»Das kann ich mir denken, aber ich will es trotzdem wissen.«
»Im Darkroom.«
»Sehr gut. Wo finden wir ihn?«
»Nicht hier.«
»Aber du wirst hingehen?«
»Ja.«
»Dann gehen wir mit!«
»Nein, das wird nicht so geschehen. Sie gehören uns, nicht euch. Wir sind ihre Freunde.« Seine Stimme hatte sich verändert. Sie war dunkler geworden, und auch sein Verhalten blieb nicht mehr gleich. Wir kannten es aus dem Lokal her. Er wurde nervös. Er konnte nicht mehr ruhig auf dem Fleck stehen bleiben, obwohl er seinen Blick gegen das Plakat gerichtet hatte. Er lächelte auch und sprach davon, dass er die Sünde in die Welt bringen würde.
»Was ist das denn?«, keuchte seine Mutter. »Meine Güte, was geschieht mit meinem Sohn?«
Suko kümmerte sich um sie. »Bitte, Mrs. Gentry, bleiben Sie ruhig. Es wird nichts passieren.«
»Verdammt, es ist schon was passiert!«
Damit hatte sie Recht. Mit ihrem Sohn war es geschehen. Er hatte sich verändert. In den letzten Sekunden war wieder die Kraft oder Macht nach außen getreten, die sich bisher verborgen gehalten hatte. Seine Augen waren dunkel geworden. Trotz des schlechten Lichts sahen wir die Schwärze in den Pupillen. Sie hing da wie zähe Tropfen, und auch über sein Gesicht waren Schatten geflogen. Das hing allerdings mit dem normalen Licht zusammen und hatte nichts mit den Augen zu tun, denn aus ihnen hervor hatte sich keine Schwärze ausgebreitet.
Mit einer heftigen Bewegung fuhr er zu mir herum. Er stand wieder unter Strom. Unheimlich starke Gefühle mussten ihn durchtosen. Die Mutter kannte ihren eigenen Sohn nicht wieder. Sie wollte zu ihm, aber Suko hielt sie eisern fest.
Elmar konzentrierte sich auf mich. Er starrte mich mit seinen schwarzen Augen an, als wollte er durch diese Schwärze meine Seele einfach auslöschen. Er war bösartig, er war gemein, und die Sünde steckte tief in ihm.
Sein Kopf bewegte sich. Die Pupillen ebenfalls. Es sah aus, als würden sie hin- und herschwappen, und plötzlich sprang er mich an. Ich hatte damit gerechnet, stand schon breitbeinig, wartete ihn ab und wuchtete ihn zur Seite.
Elmar fiel auf den Boden. Er schrie dabei. Für uns hörte es sich an wie das Schreien eines Tiers. Auf allen Vieren kroch er auf seinen Schreibtisch zu und zog sich daran hoch.
Suko hielt Mrs. Gentry gepackt. Er schob sie aus dem Zimmer. Sie war steif, sie war voller Angst und schien kein Mensch mehr zu sein.
Aus ihrem Mund drangen jaulende Laute hervor, und Suko nickte mir kurz zu. Er wusste, dass ich in den nächsten Sekunden allein zurechtkam.
Elmar lag vor seinem Schreibtisch. Seine Hand umklammerte die Schreibtischkante. Dann zog er sich hoch. An mir hatte er sein Interesse verloren, doch er stand noch immer unter dem Einfluss der beiden sündigen Engel. Aus seinem offenen Mund drangen zischende Laute.
Wahrscheinlich waren es Worte, die ich allerdings nicht verstand.
Er hatte etwas vor, das spürte ich. Ich ließ ihn auch in Ruhe, denn ich wollte es wirklich bis zum Äußersten kommen lassen.
Elmar erhob sich. Schwerfällig wie ein schwacher Greis kam er hoch, aber er war kein Greis, denn plötzlich riss er am Schreibtisch eine Schublade auf.
Blitzschnell tauchte seine Hand hinein, ebenso schnell kam sie wieder zum Vorschein.
Diesmal nicht leer. Er fuhr herum, und ich sah plötzlich die Mündung der kleinen Pistole auf mich gerichtet. Elmar brauchte nur abzudrücken.
Er tat es nicht, denn er starrte genau auf mein Kreuz!
Ob er es trotz seiner dunklen Augen sah, war mir nicht bekannt.
Jedenfalls bewegte er sich nicht vom Fleck und wirkte in diesen Sekunden wie schockgefroren.
Sukos Schatten erschien wieder in der offenen Tür. Er hatte jetzt seine Waffe gezogen und zielte in den Raum hinein, aber auch er drückte nicht ab.
Ich war das Risiko bewusst eingegangen. Wenn ihn tatsächlich die sündigen Engel unter Kontrolle hielten, dann war das Kreuz genau die richtige Gegenwaffe. Denn es gehörte zu den
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