1153 - Die Gruftie-Girls
dich verlassen. Ich bin sicher, dass er von uns weiß. Und deshalb wird er versuchen, uns zu treffen. Darauf sollten wir vorbereitet sein. Alles andere ist jetzt unwichtig.«
»Sag mir deinen Plan!«
»Es wird alles so ablaufen wie vorgesehen. Wir werden im Darkroom auftreten, und wir werden dort versuchen, weitere Helfer an uns zu binden. Nick wird uns begleiten. Er ist bereit zur Sünde. Und es gibt eine Sünde, die Tod heißt.«
»Nicht Mord?«
»Beides, Schwester. Tod und Mord. Ich gebe zu, dass wir einen Fehler begangen haben. Wir hätten schneller sein müssen, aber wir sind es nicht gewesen. Wir hätten bei unseren Auftritten schon viel mehr unserer Freunde direkt auf unsere Seite ziehen können. Dann hätten wir jetzt eine kleine Armee gehabt. Nun, es ist nicht rückgängig zu machen, aber wir können sie noch verändern. Nach dieser Nacht werden wir unseren Freund als Botschafter losschicken, damit sie in unserem Namen die großen Sünden an den Menschen begehen. Wir können danach unseren Sündenpfuhl errichten, und die alten Zeiten werden zurückkehren. Überall, wo Menschen mit den dunklen Augen erscheinen, wird der Tod auch nicht weit sein. Alle Regeln sollen über den Haufen geworfen werden. Auf der Erde muss, soll und wird die Sünde regieren.«
Genau diese Worte hatte Wiebke hören wollen. Sie demonstrierte ihre Freude darüber, indem sie der Schwester Beifall klatschte, den Julia gern entgegennahm.
Nick hatte sich zurückgehalten. Er fühlte sich trotz der Nähe zu den sündigen Engeln fremd, aber Julia wusste, was sie zu tun hatte. Sie ging auf ihn zu, und plötzlich veränderte sich ihr Gesicht wieder. Das seltsame Grau verschwand, die Haut erhielt ihre normale Farbe zurück, und auch die Lippen röteten sich.
Vor Nick blieb sie stehen. Beide Hände legte sie ihm an die Wangen.
»Du bist noch bei uns«, flüsterte sie ihm zu. »Dich wird man uns nicht nehmen, das schwöre ich dir. Und du wirst uns noch in dieser Nacht beweisen, dass du zu den Freunden der Sünde gehörst.«
O'Brien wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes eingeklemmt. Nicht nur körperlich durch die Hände, sondern auch seelisch. Es fiel ihm unsagbar schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Er hörte sein Herz schlagen und glaubte, dass es ein fremdes Organ war.
»Nun?«
»Ich gehöre zu euch.«
Julia lächelte. »So soll es auch sein. Du bist ein Auserwählter. Du bist einer von uns. Wir mögen dich, und wir werden dafür sorgen, dass es dir gut geht. Aber auch du wirst uns einen Gefallen tun müssen.«
»Ich bin bereit«, flüsterte er.
Julia küsste ihn. Ihre Lippen waren wieder so warm und weich. Er spürte ihre Zunge in seinen Mund eindringen. Sie war schnell, sie war zuckend, und sie war plötzlich nicht mehr so dick, sondern hatte sich verändert.
Schmal war sie geworden. Wie die Zunge einer Schlange oder eine Echse.
Julia löste ihre Lippen von seinem Mund und drängte sich zurück. Er schaute ihr zu. Er sah auch die Zunge, die noch mit ihrer Spitze aus dem Mund hervorschaute. Ja, sie war lang und giftgrün…
***
Es war schon zu spät, um Glenda Bescheid zu geben, wo wir uns herumtrieben, und auch Sir James wollten wir nicht stören. Irgendwie gingen wir beide davon aus, dass dieser Kampf so etwas wie eine Privatsache war.
Suko hatte nur mit Shao telefoniert und ihr Bescheid gesagt, dass es spät werden konnte. Sie hatte nicht viele Fragen gestellt, denn auch sie war an diesem Abend unterwegs. Sie traf sich mit ihren Computer-Freunden, um über Neuigkeiten im Internet zu diskutieren.
Dabei hatte ich vorgehabt, ein paar ruhige Tage zu machen. Es kommt eben immer anders als man denkt. Allerdings fühlte ich mich nicht mehr so müde. Die Ereignisse der nahen Vergangenheit hatten mich aufgeputscht, und auch wenn ich an die Zukunft dachte, wurde ich nicht eben ruhiger.
Ich ließ Suko fahren, der ruhiger war als ich, wenn es daran ging, sich durch das Londoner Verkehrsgewühl zu quälen. Die Straßen waren mal wieder verstopft. Wir steckten immer wieder im Stau.
Mir gingen die beiden Namen durch den Kopf. Einmal Julia, einmal Wiebke. Namen, die sehr deutsch klangen. Vermutlich hatten die beiden den Weg vom Festland auf die Insel gefunden. Das würden sie zumindest ihrer Umwelt erklären.
Auf der anderen Seite konnte ich mir vorstellen, dass sie direkt aus einer anderen Sphäre gekommen waren, um diese Welt zu besuchen.
Versteckt im Unsichtbaren. Nur wenigen
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