1153 - Die Gruftie-Girls
sitzend. Der Druck lag in seinen Augen. Hätte er in den Spiegel geschaut, so hätte er gesehen, dass sich die Pupillen wieder veränderten. Auch sein Sehvermögen unterlag einer Veränderung. In der Wohnung war es nach wie vor sehr düster, aber nicht für ihn. Er brauchte kaum Licht, er sah viel besser als sonst. Er sah vor allen Dingen Julia!
Sie lehnte jetzt mit dem Gesäß auf der Tischkante und zeigte sich ihrer Schwester und Nick frontal. Ihr ehemals bleiches Gesicht hatte nun einen anderen Farbton erhalten.
Nick O'Brien wusste nicht, was er davon halten sollte. Irrte er sich?
Lag es an seinem besonderen Blickwinkel, dass sich dieses Gesicht farblich verändert hatte?
Es war grau geworden. Nicht ganz grau. Es schimmerte noch ein hellerer Farbton hindurch. Doch das war nicht alles. Er schaute sehr genau hin und sah, was sich auf der Haut gebildet hatte.
Schuppen - zahlreiche, kleine, graue Schuppen…
***
Der Notarzt war gekommen und hatte das Zimmer betreten, in dem ich mit Elmar Gentry wartete. Der Mann im weißen Kittel brauchte nur einen Blick auf den Mann zu werfen, dann schüttelte er den Kopf und flüsterte nur: »Wie konnte das geschehen?«
Natürlich erwartete er von mir eine Antwort, die ich ihm hätte geben können, doch er hätte sie nicht akzeptiert. Er war Arzt und kein Magier.
»Bitte, Doc, fragen Sie nicht! Nehmen Sie es als gegeben hin. Es ist besser so!«
»Das kann ich nicht«, fuhr er mich erregt an.
»Sie müssen!« Ich zeigte ihm meinen Ausweis. Es war ein besonderes Dokument, das mir weitreichende Kompetenzen gab und auch entsprechende Freiheiten erlaubte.
»Klar, danke.« Er hatte den Text in der eingeschweißten Hülle gelesen.
»Trotzdem muss es einen Grund gegeben haben, dass sich dieser Mann so verändern konnte.«
»Den gibt es. Das aufzuklären ist meine Sache. Schaffen Sie ihn in eine Klinik.«
Überzeugt war der Arzt nicht, aber er gab klein bei und zuckte mit den Schultern. »Nun gut, belassen wir es dabei.« Er stellte nur eine kurze Untersuchung an, schüttelte dabei immer wieder den Kopf und nickte schließlich. »Er ist nicht tot, aber er muss irrsinnige Schmerzen verspürt haben. Wenn ich mir die Wangen ansehe und dort die dunklen Streifen verfolge, könnte ich davon ausgehen, dass seine Augen ausgelaufen sind. Oder sehen Sie das anders?«
»Nein.«
»Dann sind sie…« Er sprach nicht mehr weiter und winkte den beiden Helfern, die in der Tür standen. Sie würden den Verletzten auf die Trage und in den Wagen schaffen. Der Arzt sagte mir noch, in welche Klinik er Gentry bringen lassen wollte, und ich sprach ihn darauf an, dass es noch jemand in der Wohnung gab, um den er sich zu kümmern hatte.
Ich konnte mir vorstellen, dass Edna Gentry einen Schock erlitten hatte.
Ich folgte dem Arzt in das große Zimmer mit dem Erker. Edna Gentry lag auf dem Sofa, auf dem auch Suko saß und zu uns hinschaute, als wir den Raum betraten. Er stand auf. So gelang mir ein Blick auf das kreideweiße Gesicht der Frau, deren Atem nicht zu hören war.
»Bitte, Doc, sie ist nicht bewusstlos, aber sie steht unter Schock. Ob Sie sie mitnehmen, müssen Sie entscheiden. Wahrscheinlich ist es besser.«
»Aber sie hat noch ihre Augen, nicht?«
»Ja.«
Der Arzt wusste nicht, was er noch sagen sollte. Er untersuchte Mrs. Gentry, während die Helfer draußen die Trage an der offenen Tür vorbeitrugen.
Draußen neigte sich der Tag allmählich seinem Ende entgegen. Die Märzsonne schien nur noch schwach. Nicht lange, dann würde sie sich völlig zurückgezogen haben.
Edna Gentry erhielt eine Spritze, aber zufrieden zeigte sich der Arzt nicht. »Es ist besser, wenn sie nicht allein bleibt. Sie hat einen schweren Schock erlitten.«
»Dann nehmen Sie die Frau mit.«
»Okay, mache ich. Aber wir werden noch näher über den Fall reden, Mr. Sinclair.«
»Morgen. Sie wissen ja, mit wem Sie es zu tun haben. Ich nehme an, dass Sie und Ihre Kollegen dann auch Antworten bekommen.«
»Ich hätte sie jetzt gern gehabt.«
»Nein, da kann man nichts machen. Es ist zu früh.«
Suko und ich kümmerten uns um die Frau. Allein konnte sie nicht gehen. Wir hoben sie von der Couch an und führten sie behutsam aus dem Zimmer und aus dem Haus zum Notarztwagen. Er war auf den Gehsteig gefahren. Wie so oft hatten sich rasch Neugierige zusammengefunden, denen die Fragen in den Gesichter standen. Aber sie wagten es nicht, etwas zu sagen.
Elmar Gentry war schon auf die Ladefläche geschoben worden. Man
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