1154 - Dämonen-Trauer
Nach ihrer wahren Bestimmung, jetzt, wo sie das Totenreich verlassen haben. Da werden sie Spuren hinterlassen, auf die du achten solltest.«
»Dabei kann ich mich wohl auch auf dich verlassen - oder?«
»Wir werden sehen…«
Das war wieder eine Antwort, die mir nicht gefiel. Sie hatte nach Abschied geklungen, und tatsächlich drehte sich Raniel von mir weg. Sein Umhang geriet dabei in Bewegung und schwang fast wie eine Glocke um seine Beine.
Ich wurde sauer. »He, bleib stehen, verdammt!«
Raniel dachte nicht daran. Der Gerechte war mir noch etwas schuldig. Ich lief schneller als er und hatte ihn sehr bald erreicht. Als ich den rechten Arm ausstreckte, um seinen Umhang in Höhe des Rückens zu erwischen, griff ich zwar zu, fasste aber zugleich ins Leere, denn ich erlebte, wer Raniel wirklich war.
Er nahm seine andere Gestalt an. Er schwebte davon. In ihm war der Traum vieler Menschen wahr geworden. Er konnte sich einfach in die Luft erheben und wegfliegen.
Das war mir leider nicht vergönnt. So konnte ich eine Verfolgung vergessen. Ich blieb stehen und schaute ihm nach, wie er der Dunkelheit des Himmels entgegenglitt und schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu sehen war.
Ich fühlte mich an der Nase herumgeführt.
Raniel hatte mich auf diese verdammte Insel geholt. Er hatte mir gezeigt, wozu er fähig war, und auch ich hatte durch das Kreuz mein Scherflein dazu beigetragen, aber jetzt verschwand er, als wäre nichts geschehen.
Das war ärgerlich, das passte mir nicht.
Allerdings war ich nicht so richtig ärgerlich, wenn ich ehrlich war. Der Gerechte hatte da eine Suppe angerührt, die mir auch schmecken würde. Ich war nur zu gern bereit, sie auszulöffeln.
Nur nicht jetzt, nicht in dieser Nacht. Raniel hatte schon Recht. Ich würde die Augen verdammt weit offen halten müssen, um andere zu entdecken, die ebenfalls ihr Reich verlassen hatten.
Da war ich wieder gedanklich beim Punkt X angelangt! Welches Reich? Worum konnte es sich da handeln? Es gab nicht nur verschiedene Dimensionen, wie ich wusste, weil ich einige davon schon selbst besucht hatte. So unterschiedlich sie waren, so anders konnten auch die Totenreiche sein.
Selbst Mallmanns Vampirwelt war für mich nichts anderes als ein Totenreich.
Auf dieser Insel noch länger zu verweilen, hatte für mich keinen Sinn. Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass die Tageswende noch nicht erreicht war. Also würde ich noch einige Stunden Schlaf bekommen.
Hinweise, wo ich den Hebel ansetzen konnte, hatte ich keine erhalten. Ich würde mich auf Zeichen verlassen müssen, aber das wollte ich nicht allein, sondern zusammen mit Suko. Wenn meine Rückkehr nicht zu spät erfolgte, konnte ich noch in der Nacht mit ihm ein paar Worte wechseln.
Jetzt setzte sich die Geräuschkulisse wieder aus dem Plätschern der Wellen zusammen, die am Ufer ausliefen. So hatte ich die Insel auch bei meiner Ankunft erlebt, und ich begab mich auf dem direkten Weg zum Boot.
Bald schon tanzte der Kahn auf den Wellen.
Ich saß mit dem Rücken zum normalen Ufer hin, legte mich recht kräftig ins Zeug und hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht, als ich die Ruder einholte, eine kurze Pause einlegte, mich umdrehte und zum Ufer hinschaute.
Der Schreck oder der Schock erwischte mich wie ein kräftiger Schlag in den Magen.
Verdammt, was da passierte, das konnte nicht wahr sein! Ich sah das Ufer noch, ja, es war vorhanden, aber es war durch eine völlige Schwärze verdeckt. Ich sah nicht mehr diese grauen Lücken und war auch nicht in der Lage, bei den Gewächsen irgendwelche Unterschiede zu erkennen. Es war nur pechschwarz, als wäre ein gefärbter Nebel aus dem Boden gekrochen, um das Gebiet am Flußarm in seinen Besitz zu nehmen. Und er hatte zugleich auch ein Hindernis für mich aufgebaut, das sich zudem noch weiter ausbreitete, denn meine zweite Entdeckung war nicht besser als die erste.
Der schwarze Nebel kroch jetzt aus dem Wasser. Als dicke Wolken stieg er in meiner unmittelbaren Nähe in die Höhe. Er nahm mir die Sicht auf den schmalen Flussarm. Als ich mich wieder drehte, um zur Insel zurück zu schauen, da sah ich sie nicht mehr. Auch zwischen uns beiden hatte sich die Schwärze ausgebreitet. Ich wurde den Eindruck nicht los, in einem besonderen Gefängnis zu sitzen.
Allmählich wurde ich nervös und merkte, wie es kalt meinen Rücken hinabkroch.
Ich ging davon aus, dass die verdammte Schwärze allein meinetwegen entstanden war, und das machte
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