1154 - Dämonen-Trauer
ein Teil meiner Vergangenheit wieder aus der Tiefe hochgeschwemmt worden. Mir war bekannt, dass es innerhalb der einzelnen Dämonenreiche Kämpfe gab. Da wollte einer mächtiger sein als der andere. Warum sollten sie auch anders sein als Menschen?
Dennoch - für mich war der Spuk immer einer der ganz Mächtigen gewesen. Auch deshalb, weil er über dieses Totenreich der Dämonenseelen herrschte, und das hatte plötzlich Risse bekommen. Da hatte jemand an die »Mauern« gehämmert.
»Hast du mich begriffen, John Sinclair?«
Ich konnte das leise Lachen nicht zurückhalten. »Das ist nicht schwer gewesen, wirklich nicht, aber es hat mich verwundert. Dann musst du an Macht und Stärke eingebüßt haben.«
»Das will man so.«
»Wer will es?«
Aus dem Dunkel vernahm ich wieder das Raunen der ungewöhnlichen Stimme. »Man will mir wahrscheinlich die Seelen nicht lassen. Darum geht es. Wer mir die Seelen nimmt, der muss zwangsläufig auch mein Reich zerstören.«
»Wie ich das sehe, existiert es noch. Und wenn ich ehrlich bin, würde es mir nicht leid tun, wenn dein Reich zerstört ist. Das sehe ich ganz praktisch.«
»Wobei du einen Fehler machst.«
»Warum?«
Ich erlebte eine kurze Pause. Dabei überkam mich das Gefühl, als würde sich die Finsternis noch mehr verdichten und dafür sorgen, dass ihre andere Kälte klamm durch die Haut in meinen Körper hineinkroch und mich auch beim Atmen behinderte.
»Es ist einer der Großen«, drang es mir wieder aus der stockigen Finsternis entgegen. »Einer der ganz Großen. Es ist derjenige, der über allem steht. Du kannst dir jetzt schon denken, von wem ich spreche. Oder muss ich dir den Namen sagen?«
»Ist es Luzifer?«
Kein Atmen, kein Stöhnen, nur die bedrückende Stille umgab mich. »Ja, er ist es!«
Plötzlich war ich nicht mehr so locker. Luzifer. Er war das absolut Böse. Ja, das Urböse. Mit ihm und seiner Gier nach Macht hatte die Gewaltenteilung praktisch begonnen. Wäre er damals nicht gewesen und hätte er nicht versucht, gottgleich zu werden, wäre das Schicksal der Welt in völlig anderen Bahnen verlaufen. Diese Meinung gönnte sich zumindest ein kleiner Mensch wie ich.
»Es hat dich geschockt, John?«
»Das muss ich zugeben.«
»Warum?«
»Na ja, ich bin eben nicht so groß und mächtig. Ich habe vor ihm auch weiterhin Respekt. Ich besitze zwar einen besonderen Schutz durch mein Kreuz, aber wenn es hart auf hart kommt, weiß ich nicht, wer den Kampf gewinnt.«
»Aber er ist es!«
Die beiden roten Punkte bewegten sich nicht nur unruhig, sie wurden auch größer, doch eine andere Veränderung gab es nicht. Noch nicht. Wobei ich durchaus davon ausging, dass es in der Schwärze brodelte und kochte. Wobei mir der etwas lässige Vergleich in den Sinn kam, dass Dämonen auch nur Menschen sind.
Aber Luzifer war schon ein echter Hammer. Weiter, höher und stärker ging es nicht. So lag die nächste Frage auf der Hand. »Was will er von dir? Warum bedrängt er dich?«
»Es geht um Macht. Er will mich nicht. Er kann nicht haben, dass es ein Reich neben seinem gibt, das er nicht kontrolliert. Er will es kontrollieren.«
Es war nicht scherzhaft gemeint, doch ich nahm es locker. »Gewissermaßen eine feindliche Übernahme. Das ist ja heute modern geworden. Nur vergebt ihr leider keine Aktien und…«
»Was redest du da?«
»Schon gut, vergiss es.« Er hatte sich aufgeregt, denn in den roten Augen leuchtete plötzlich ein düsteres Feuer, und einige Zungen schlugen mir aus der Finsternis entgegen, ohne dass sie mich erwischten.
»Dann frage ich dich, welchen Plan hat er?«
Das gefiel dem Spuk besser. Das Feuer zog sich zurück in die Schwärze. »Er rüttelt an den Grenzen. Er will sie aufbrechen und eindringen.«
»Lässt er die Seelen frei?«
Es war in dieser Situation eine entscheidende Frage. Diesmal lauerte ich auf die Antwort, die noch nicht kam. Nicht direkt. Indirekt schon, denn wiederum veränderten sich die Augen. Sie spieen zwar kein Feuer mehr, doch sie bewegten sich wieder unruhig, auch die innere Glut wurde noch roter.
»Er hat es geschafft, John…«
Die Antwort war keine Überraschung für mich. Ich dachte jetzt mehr mit der »Seele« des Spuks.
Was musste es ihn für eine Überwindung gekostet haben, dies zuzugeben. Über urlange Zeiten hinweg war er der Herrscher in seinem Reich gewesen. Sicherlich hatte es immer wieder Angriffe gegeben, doch er hatte es verstanden, sie abzuwehren. Und nun das. Diese verfluchte Attacke, die ihn
Weitere Kostenlose Bücher