1156 - Albtraum Elektra
nicht!«
Wieder atmete sie zischend. »Dein letztes Wort?«
Eigentlich hätte ich das bejahen müssen, aber mir kamen so meine Zweifel, und ich dachte an eine andere Möglichkeit. Dieser Anruf war recht rätselhaft, ebenso wie die Frau. Es konnte zahlreiche Gründe geben, weshalb sie auf mein Kreuz scharf war, und zwar Gründe, die auch mich interessierten. Deshalb beschäftigte ich mich schon mit einer anderen Möglichkeit, die eher einem Kompromiss glich.
»Warum sagst du nichts?«
»Weil ich noch überlege.«
»Dann willst du es mir doch geben?«
»Nein, das habe ich damit nicht andeuten wollen. Vielleicht können wir uns auf einer anderen Ebene einigen. Das wäre sicherlich nicht schlecht.«
»Was meinst du damit?«
»Dass wir uns treffen. Dass Sie mir alles erzählen. Dass wir dann gemeinsam versuchen, eine Lösung für Ihr Problem zu finden. Denn dann befände sich das Kreuz in Ihrer Nähe, und ich wäre ebenfalls dabei. Ist das eine Lösung?«
»Ist es nicht!« hörte ich die scharfe Stimme. »Nein, das ist keine Lösung für mich.«
»Schade. Warum nicht? Ich weiß doch, dass Sie Probleme haben, die möglicherweise durch mein Kreuz gelöst werden könnten. Da könnten wir uns doch entgegenkommen.«
»Ich brauche es für mich. Ich brauche es auch nur für eine begrenzte Zeit. Ich kann dir nicht sagen, für wie lange das sein wird, aber ich muss es haben.«
»Da passe ich!«
Sie hatte wohl mitbekommen, dass sie mich nicht überzeugen konnte, und ich hörte zunächst nichts.
Auch ich hielt mich zurück, fragte sie nicht einmal nach ihrem Namen, obwohl mich die Neugierde inzwischen gepackt hielt.
»Es ist schade«, sagte sie nach einer Weile, »dass du so denkst. Wirklich schade. Aber ich werde es bekommen. Ich bin bereit, einiges dafür zu tun, Sinclair.«
Darauf ging ich nicht ein, sondern fragte: »Können Sie mir sagen, wer Sie sind und woher Sie kommen? Sie kennen meinen Namen, und ich möchte gern den ihren erfahren, damit ich weiß, wer sich so sehr um mein Kreuz bemüht.«
»Du kennst mich nicht.«
»Klar.« Ich lachte noch und schaute dabei auf meine Füße. »Aber das kann ich ändern.«
»Wenn du mir das Kreuz überlässt.«
»Tut mir nicht einmal leid. Ich kann es nicht. Und jetzt möchte ich auch meine Ruhe haben.«
Das musste sie begreifen. Ich wartete darauf, dass sie es tat und auflegte, aber sie dachte noch nicht daran. »Es ist schade, Sinclair, auch schade für dich. Aber ich werde es bekommen. Du hast keine Chance, keine.«
Es waren ihre letzten Worte. Bevor ich noch ein Wort sagen konnte, hatte sie aufgelegt. Die Leitung war und blieb stumm. Auch mir blieb nichts anderes übrig, als den Hörer auf den Apparat zu drücken.
Ich blieb nicht im Bett. In Gedanken versunken stand ich auf und ging in die Küche. Im Kühlschrank stand Wasser. Ich mixte Orangensaft hinein und trank einige Schlucke, wobei ich ins Leere schaute und die Stirn krauste.
Dieser Anruf, der wirklich kein Spaß war, hatte bei mir ein bedrückendes Gefühl hinterlassen. Ich war schon oft angerufen worden, auch wegen der unmöglichsten Themen und aus kaum verständlichen Gründen. Dass jedoch jemand mein Kreuz unbedingt leihweise in seinen Besitz bringen wollte, das irritierte mich schon und sorgte zugleich für eine innere Unruhe.
Ich machte mir natürlich Gedanken über die Gründe. Warum wollte jemand mein Kreuz in seinen Besitz bringen? Das war eigentlich verrückt, sah man es mit normalen Augen. Nur war mein Job nicht normal. Ich hatte mit der Unnormalität zu leben. Was andere Menschen für verrückt oder unnormal hielten, das gehörte bei mir zur Tagesordnung. Grundlos stellte man keine derartige Forderung an mich. Eine Bitte war es nicht. Die Unbekannte hatte mir praktisch keine Alternative gelassen.
Wozu brauchte sie das Kreuz?
Eine Antwort auf diese Frage zu finden, war nicht eben leicht. Natürlich fiel mir sofort der Begriff Schutz ein. Es würde sie schützen können, wenn ich es genau nahm. Aber es war auch in der Lage, andere zu vernichten. Keine Menschen, sondern Diener des Bösen. Dämonen und ihre Helfer. Das alles war mir bekannt, das würde auch die unbekannte Anruferin wissen. Ich konnte mir deshalb vorstellen, dass diese Person Probleme mit schwarzmagischen Mächten bekommen hatte und deshalb auf diese radikale Art und Weise vorging.
Wer und was steckte dahinter? Wer konnte diese Person sein? Auch ein Mensch, der Dämonen jagte so wie ich? Ein weiblicher Geisterjäger? Oder
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