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1158 - Kalt wie der Tod

1158 - Kalt wie der Tod

Titel: 1158 - Kalt wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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rissen, doch sie hielten ihn fest. Oder der Körper schaffte es, sich gegen die andere Kraft zu stemmen.
    Maja hielt den Atem an. Ihr wurde kalt. Dünnes Eis kroch über den gesamten Körper hinweg. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass es nichts anderes auf der Welt mehr gab als nur die Frau und sie.
    Eine Tote!
    Das musste einfach eine Tote sein, die der Erlenbach da angetrieben hatte. Es gab für sie keine andere Lösung. Im Wasser konnte niemand leben, zumindest kein Mensch, der Sauerstoff brauchte, um zu atmen. Dann war auch die nackte Frau tot, die das Wasser angetrieben hatte.
    Oder nicht?
    Es traten Zweifel auf, denn die Frauengestalt im Wasser bewegte sich. Es lag nicht daran, dass die Wellen sie trieben oder sie herumrollten, sie stemmte sich mit eigener Kraft gegen die fließende Macht des Bachs an, zeigte Maja den nackten Rücken und drückte die Handflächen dann gegen den Grund. So schwemmte sie sich selbst hoch und tauchte als bleiche Frauengestalt aus dem Wasser auf. Das lange dunkle Haar schwemmte noch einmal auf, bevor es die Wellen verließ und in nassen Strähnen nach unten fiel, wo es sich klatschend auf die Haut der Schultern legte.
    Die Wasserfrau war eine Schönheit. Eine kalte und auch eine tote Schönheit.
    Als wäre das Bachwasser mit seiner Fließgeschwindigkeit nicht vorhanden, so kam sie auf die Beine. Sie bewegte sich dabei wie ein normaler Mensch und nicht wie eine Tote, deren Körper ja steif ist.
    Während Maja Illig schaute und fror, was nicht nur an ihrer nassen Kleidung lag, sondern mehr von innen kam, schossen ihr Geschichten durch den Sinn. Es war alles anders geworden in ihrer normalen Welt. Die Realität war von den Legenden eingeholt worden. Sie erinnerte sich daran, als Kind Bücher über Feen und Wassernixen gelesen zu haben, und so wie diese Frau hier hatten auch die Nixen ausgesehen.
    Schön, mit langen Haaren. Einem gut gebauten Körper, aber ohne Beine und Füße. Stattdessen mit einem breiten schuppigen Schwanz, mit dem sie sich im Wasser fortbewegen konnten.
    Maja wollte wissen, ob die Beschreibung der Nixen auch bei diesem Körper zutraf. Sie suchte nach dem Schwanz und fand ihn nicht. Diese Person besaß normale Beine, deren helle Haut im dunkleren Wasser wie wohlgeformte Marmorsäulen schimmerten.
    Sie stand langsam auf. Es war kein normales Aufstehen. Es glich dem Erheben einer Königin, die nicht mehr auf ihrem Thron sitzen wollte. Jede Bewegung wirkte genau einstudiert. Das Wasser perlte an der hellen Haut der Nackten ab. Trotzdem war die Haut nicht unbedingt weiß. An vielen Stellen schimmerte sie dunkel, als hätte dort die blaue Farbe verwaschene Flecken hinterlassen.
    Es drang kein einziger Laut aus ihrem Mund. Auch Majas Entführer schwieg, und so war für alle nur das Rauschen und Murmeln des schnell fließenden Wassers zu hören.
    Die Fremde blieb stehen. Das Wasser umgurgelte sie. Es reichte beinahe bis zu ihren Hüften und umgab sie dort mit einem kleinen hellen Schaumkranz. Sie sprach kein Wort. Sie ließ sich betrachten, als wäre sie ein Teil aus einem besonderen Museum.
    Auch Maja Illig war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen. Was sie hier erlebte, das überschritt ihr Begriffsvermögen. Sie musste sich zwingen, daran zu denken, noch mit beiden Beinen in der Realität zu stehen, so anders und fremd war alles geworden. Noch konnte sie nicht akzeptieren, dass der Fremde normal geworden war.
    Wasser rann über den wohlgeformten Körper der Frau. Maja schaute auf die vollen Brüste, auf die Schenkel, die Hüften, die Beine und insgesamt auf einen Körper, der nahezu die perfekten Maße besaß.
    Ein Gesicht wie aus Stein modelliert. Diese Person mit den langen schwarzen Haaren glich einer überirdischen Schönheit. Man hätte sie als eine perfekte Statue in den Garten stellen können.
    Maja war fasziniert. Sie hatte das eigene Schicksal vergessen. Es gab nur die neue Frau für sie und auch der Blick in die dunklen, zugleich lockenden Augen.
    Nichts und alles las Maja aus diesen Blicken. Augen, die sie faszinierten, die sie lockten und die alles versprachen.
    Nichts ist perfekt. Das erlebte Maja auch hier, denn je länger sie hinschaute, umso mehr erkannte sie, dass auch diese Gestalt durchaus ihre Fehler hatte.
    Zuerst dache sie an Haare, die falsch gewachsen waren und wie dünne Peitschenschnüre am makellosen Körper der Frau herab hingen.
    Aber das war es nicht. Haare wuchsen nicht zusammengedreht aus den Oberarmen, den Hüften oder den Handrücken.

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