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116 Chinesen oder so: Roman (German Edition)

116 Chinesen oder so: Roman (German Edition)

Titel: 116 Chinesen oder so: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Heams-Ogus
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ihnen zu einer Wiedergeburt verhalf, und wenn er ganz ehrlich war, gab es für ihn, obwohl aufrichtig fromm und daher froh darüber, dass die Lebensgeschichte eines Heiligen der Auslöser war, fast nichts, das er lieber tat, als heimlich von seinen Vorrechten und der totalen Gleichgültigkeit der Rangordnung über ihm Gebrauch zu machen, um sie einen nach dem anderen aus dieser allerletzten Stufe der Entwürdigung herauszuführen: der Abgestumpftheit.
     
    Diese Erschütterung verabreichte ihnen eine Sanftheit, an die sie nicht mehr gewöhnt waren, und etwas Unerwartetes geschah: Sehr rasch, schon nach wenigen Wochen, baten die Eifrigsten aus der Gruppe, ungefähr vierzig Männer, darum, getauft zu werden. Als er davon erfuhr, konnte Tchang es zunächst nicht glauben. Ganz sicher wäre jede der sich gegenüberstehenden Mächte, ob religiös, zivil oder militärisch, davon begeistert. Internierte, die sich der Vertiefung ihres Glaubens widmeten; das war doch der schönste Beweis dafür, dass diese Lager die Menschen, die darin leben mussten, nicht davon abhielten, über sich nachzudenken, ein erfülltes Leben zu führen; das würde dem Abruzzenvolk beweisen, dass diese Menschen ihnen ähnlicher waren, als sie angenommen hatten; das würden sich bald all diejenigen zunutze machen, in deren Interesse es lag, dass Ordnung herrschen und sich ausbreiten möge. Diese Erwartungen konnten aber nicht die ganz privaten und schwer durchschaubaren Gründe erklären, die diese unerwartete Welle ausgelöst hatten. Sie schien jedoch aufrichtig und solide zu sein, zudem war sie sogar wirklich spontan entstanden, aber davon ließ Tchang sich nicht täuschen: Eine rauere Wirklichkeit bildete sich heraus. Nicht wenige von ihnen hätten diese Entscheidung schon Jahre früher treffen können. Dass allen der Gedanke an diesem Ort und zu dieser Zeit gekommen war, war kein Zufall. Er war nicht so naiv zu verkennen, dass sie damit auch die vorsichtige Hoffnung verbanden, eventuell in den Genuss einer schwachen, zwitterhaften Form von Schutz zu gelangen. Dieser verborgene Teil des Paktes, den sie knüpfen wollten, zeigte auch, welche Gefahren sie über sich hereinbrechen sahen. Doch darüber hinaus spürte Tchang, dass um diesen Wunsch herum noch subtilere Bedürfnisse schwebten, das Bedürfnis, dem Exil ein Schnippchen zu schlagen und jenem Ort, wo sie gebrochen werden sollten, zu widerstehen, dessen Gebräuche sie offenbar verstanden hatten, und wie man sie unterwanderte ebenfalls. Im Übrigen spürte er aber sehr wohl, dass es sich weniger um Heuchelei handelte, als vielmehr um eine Verzweiflungsstrategie, ja einen Überlebensreflex, doch er sagte sich, dass die, die darum gebeten hatten, abgesehen von der potentiellen Fiktion wenigstens tief in sich drin etwas erfahren würden. Darüber hinaus, wer konnte wissen, was wirklich dahintersteckte? Tchang, als jemand, der an Wunder gewöhnt war, hatte sich mit dieser Frage nicht lange aufgehalten. Er war derjenige, der einer Straße folgte und seine Landsmänner, die deren unerwartete Bitte selbst überrascht hatte, nicht davon abhielt, ziellos umherzustreifen. Er gab das Anliegen nach ganz oben weiter, wo entschieden wurde, dass die kollektive Taufe im Kloster San Gabriele stattfinden sollte. Somit würden sie Isola ein Jahr, bevor sie dort landeten, kennenlernen, um vorübergehend darin zu verschwinden.
     
    Die Atmosphäre, in der Tchang diese Taufe mit ihnen vorbereitete, war von Euphorie und Erschöpfung geprägt. Alles sollte rechtzeitig fertig werden, und dabei bestand seine schwerste Aufgabe nicht in der beschleunigten Ausbildung, für die er würde sorgen müssen. Alles würde schnell gehen und sein Unterricht in jedem Fall unvollständig sein. Er würde dort anknüpfen, wo er in Brescia mit einigen von ihnen aufgehört hatte, ein paar Gleichnisse erzählen, ein paar Elemente des Ritus erläutern, damit alles ordnungsgemäß ablaufen würde, damit das Ganze für die Dauer der Zeremonie einen kohärenten und normalen Anschein vermittelte. Eine Fassade, in der Hoffnung, dass sie standhalten möge. Man würde sich mit dem behelfen, was da war. Dies war auch nicht das Schwierigste, sondern alles, worum er sich ganz allein kümmern musste, von niemandem beachtet, damit das Spektakel stattfinden konnte. Im Jahr 1941 vierzig Chinesen in den Abruzzen zu taufen, das war alles außer Routine. Die Behörden, die genau wussten, was für ein vorteilhaftes Bild die örtliche Bevölkerung von den

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