116 - Der Mitternachtsteufel
Füße, warf sie vom Bett und setzte mich auf dieses.
„Zu allem anderen sind Sie auch noch ein Heuchler", sagte ich zu Kiwibin. „Sie schrecken nicht einmal davor zurück, mir mit Geschenken Tirsos Zuneigung zu erschleichen. In Wirklichkeit halten Sie ihn wahrscheinlich für ein scheußliches kleines Monster."
Jetzt war Kiwibin aber ernsthaft beleidigt! Wütend trat er seine Zigarette auf dem Boden aus. Seine dunklen Augen sprühten vor Wut.
„Wie können Sie so etwas sagen, Flindt! Tirso ist so ein lieber Kerl. Ich mag Kinder, und ihn mag ich besonders, eben weil er anders ist. Vor Kindern muß man sich nicht in acht nehmen wie vor Erwachsenen. Mit Tirso umzugehen, läßt mir das Herz aufgehen."
„Na, hoffentlich", brummte ich.
Kiwibin ließ sich nicht irritieren. „Es tut mir leid, daß ich Tirso in diese Sache hineinziehen muß.
Ich täte es nicht, wenn es nicht sein müßte. Soll ich ihm etwa keine Spielsachen schenken, nur weil Sie gleich wieder eine Heimtücke wittern? Was macht denn einem Jungen in diesem Alter am meisten Spaß? Ein Spielzeug. Haben Sie vielleicht daran gedacht, ihm vom Castillo Basajaun eines mitzubringen?"
Das hatte ich beim Packen vergessen, weil Kiwibin so Hals über Kopf aufgebrochen war; auch von den andern hatte keiner daran gedacht, verkatert wie sie alle gewesen waren.
„Ich bin heute morgen mit dem Wagen nach Nowosibirsk und zurück gefahren, um Spielsachen für Tirso zu besorgen", sagte Kiwibin. „In sechs Geschäften war ich, bevor ich endlich fand, was ich suchte. Jetzt habe ich ein paar feine Sachen für Tirso, und die bekommt er nach und nach. Oder wollen Sie mir das vielleicht verbieten?"
„Sie soll verstehen, wer will, Kiwibin. Sogar wenn Sie einmal eine wirklich gute Idee haben, bringt die Ihnen auch wieder Nutzen und fördert Ihre Pläne. Was sind Sie denn für ein Mensch?"
Kiwibin grinste. „Brüderchen, werden wir weiter zusammenarbeiten?"
„Ja. Wie soll es weitergehen?"
Kiwibin umarmte mich in einem echt russischen Gefühlsausbruch und schlug mir auf die Schultern. Wenigstens auf das Küssen verzichtete er diesmal.
„Ich habe es gewußt, daß du uns nicht im Stich lassen würdest!" rief er enthusiastisch. „Du bist ein wahrer Freund. Mein Augäpfelchen bist du, Brüderchen."
Ich wurde gleich wieder mißtrauisch. „Heraus mit der Sprache, Kiwibin! Was ist der Haken bei der Sache? Sie führen doch wieder etwas im Schilde, wollen mich zu etwas überreden. Soll vielleicht ein besonders gefährliches Experiment stattfinden?"
„Aber woher denn, Brüderchen! Denkst du im Ernst, das würde ich noch einmal zulassen? Nein, rein. Wir machen einen schönen Winterausflug ins Pamir-Gebirge, zu dem Dorf Dscheskajan. Dort sehen wir uns in aller Ruhe um, und wenn alles klappt, könnt ihr schon bald wieder nach Hause fliegen. Na, Brüderchen, was meinst du dazu?"
„Gehen Sie mir aus den Augen, Kiwibin!" ächzte ich. „Das heißt doch im Klartext nichts anderes, als daß Sie uns mitten in die Höhle des Löwen bringen wollen."
Das Flugzeug war eine ältere Iljuschin-Turbopropmaschine. Auch bei der extremen Kälte liefen die Motoren noch regelmäßig. Die Ilujuschin beförderte uns von Nowosibirsk zum Pamir-Gebirge. Die Flugstrecke betrug immerhin an die zweitausend Kilometer und würde gut zweieinhalb Stunden in. Anspruch nehmen. Im Flugzeug befanden sich Kiwibin, Tirso, Phillip und ich. Ferner sechs ausgewählte Parapsychologen vom Alexander-Newskij-Institut unter Führung von Dr. Wassiliew. Prof. Dr. Olga Gallinowa gehörte nicht zu diesem Team, was ich bedauerte. Dann befanden sich, noch drei Dutzend Milizsoldaten unter Führung des Leutnants an Bord, den ich schon am Vortag kennengelernt hatte. Er hieß Oleg Stachinskij. Außerdem flogen zwei Techniker mit. Auch Nelja war im Flugzeug, das Mädchen aus Dscheskajan, das in besonderem Maße parapsychologisch begabt war; dieselbe Nelja, bei deren Befragung es vor nunmehr sechzehn Tagen zu einem schweren Zwischenfall gekommen war. Sie sollte nach Dscheskajan zurückkehren.
Im Flugzeug, das in achttausend Meter Höhe flog, war es recht kalt. Nelja trug einen Fuchspelzmantel. Sie verhielt sich ruhig, aber ich merkte, daß sie immer wieder Blicke zu Phillip herüberwarf. In ihren dunklen Augen funkelte und gleißte es.
Ich wandte mich an Kiwibin, der auf der anderen Seite des Ganges rechts von mir saß. „Haben Sie mal eine Polaroidkamera da, Genosse Kiwibin?"
„Kann ich dir geben, Brüderchen."
Wir
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