116 - Der Mitternachtsteufel
Kamera ganz gewiß nichts mehr aufnehmen konnte.
Mit der Zeit beruhigte ich mich dann etwas. Aber als nach anderthalb Stunden die Tür aufgeschlossen wurde und Kiwibin eintrat, flackerte meine Wut wieder auf. Olga Gallinowa folgte ihm. Ihretwegen nahm ich mich etwas zusammen.
„Sie sind ein ganz hinterhältiger, falscher und gemeiner Kerl!" fuhr ich Kiwibin an. „Den Hals sollte man Ihnen umdrehen und Sie im nächsten Kanonenofen verheizen. Wir sind Ihnen in gutem Glauben hierher gefolgt, und was machen Sie? Warum haben Sie nichts davon gesagt, daß schon einmal ein Dämon leiblich erschienen ist? Wie viele von den Parapsychologen, die dabei waren, hat er denn umgebracht, he?"
„Sechs", sagte Olga Gallinowa. „Einer wird sein Lebtag im Rollstuhl fahren müssen. Einem wurde ein Arm amputiert, einem anderen ein Bein. Drei erlitten Verletzungen, die auszukurieren sind.
Zwei von diesen Leuten haben Sie vorhin getroffen. Dr. Wassiliew blieb völlig unverletzt."
„Das hat Kiwibin schon gewußt, als er sich auf die Reise nach Andorra machte?"
„Ja"
Wäre Olga Gallinowa nicht dabeigewesen, wäre ich Kiwibin vielleicht an die Kehle gegangen. „Kiwibin…", stöhnte ich erstickt vor Zorn.
„Was ist?" fragte er. „Bekämpfen wir Dämonen oder bekämpfen wir sie nicht? Es waren Vorsichtsmaßregeln getroffen. Bei dem Hirten Semjat Burjin, in dessen Kabine wir das Auftauchen eines Dämons in den Bereich des Möglichen einbezogen, befand sich nur ein russischer Arzt. Er hätte rechtzeitig flüchten können. Die Kabine des Semjat Burjin war ansonsten absolut ausbruchssicher. Hätte ich auch nur geahnt, daß der Dämon in dieser Weise in einer ganz anderen Kabine auftauchen könnte, wäre es nicht zu diesem Experiment gekommen. Zum Glück ist nichts passiert. Ich würde mir sonst ewig Vorwürfe machen."
Er sprach im Brustton der Überzeugung. Ich glaubte ihm sogar. Kiwibin mochte ein linker Vogel sein, für einen Schurken hielt ich ihn aber nicht. Er hatte eben nur eine Art, daß einem manchmal die Haare zu Berge standen. Mit der freundlichsten Miene und im jovialsten Ton jubelte er seinen Freunden die tollsten Sachen unter.
„Reg dich ab, Brüderchen!" sagte Kiwibin. „Du wirst uns doch nicht im Stich lassen wollen? Was sollen wir denn ohne dich und deine beiden Schützlinge machen?"
Ich knirschte mit den Zähnen.
„Mr. Flindt", sagte Olga Gallinowa bittend, „wir wissen wirklich nicht weiter. Bitte, helfen Sie uns! Wir treffen alle Schutzvorkehrungen, die Sie verlangen, und kommen Ihnen in jeder Weise entgegen. Aber lassen Sie uns nicht im Stich!"
Dieser Kiwibin hatte schon gewußt, warum er Olga Gallinowa mitgebracht hatte. Ich hatte so die Ahnung, daß er mich auch diesmal wieder herumkriegen würde.
„Ich will darüber schlafen", sagte ich finster. „Morgen werde ich Ihnen meine Entscheidung mitteilen. Sie gilt auch für Phillip und Tirso. Ich trage die Verantwortung."
„Natürlich, natürlich. Überleg es dir! Soll ich dir etwas vorbeischicken lassen, Brüderchen? Kaffee? Wodka?" Er zwinkerte mir zu. „Ein Mädchen vielleicht, Brüderchen?"
Ich sah mich nach irgend etwas um, was schwer und hart war und sich werfen ließ. Leider war nichts in Reichweite.
„Der Teufel ist Ihr Brüderchen, Kiwibin! Wenn ich Sie in zehn Sekunden noch hier sehe, vergesse ich mich."
„Wie du meinst, Brüderchen."
Kiwibin ging hinaus und schloß die Tür so schnell hinter sich, daß er sich fast seinen Vollbart einklemmte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
„Dieser Kiwibin treibt mich noch einmal die Wände hoch. An dem begehe ich noch einen Mord." Olga wandte sich zur Tür um. „Überlegen Sie es sich, bitte!"
Dann ging auch Olga.
Geschafft setzte ich mich auf das Bett und zündete mir eine Zigarette an. Später wollte ich noch einmal nach Phillip und Tirso sehen. Gegen diesen Kiwibin war kein Kraut gewachsen. Der hätte sogar noch den Erzdämon Luguri übervorteilt.
Er saß in seinem Zimmer in dem großen Wohngebäude, das zum Alexander-Newskij-Institut gehörte. Für russische Verhältnisse war das Zimmer, das sich im zehnten Stock befand, luxuriös zu nennen.
Vor dem großen Fenster wirbelten Schneeflocken vorbei. Die Vorhänge waren nicht ganz zugezogen. Er trug leichte Hauskleidung, und nur eine Leselampe brannte im Zimmer. Überwachungseinrichtungen gab es hier nicht. Seine Magie hatte es ihm gezeigt. Seine Gestalt war wie die eines normalen Menschen, aber sein Gesicht war ein Gesicht, das
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