1163 - Der Blut-Galan
man sich einem Gegner nähert. Die Waffe in der Hand behalten, wenn eben möglich. Sich auf kein Risiko einlassen und keinem trauen.
So ging Cash auch hier vor. Er näherte sich der Person von den Füßen her. Dabei behielt er sie im Auge und zielte mit der Waffe auf sie.
Es passierte nichts mit ihr. Kein Zucken, keine Bewegung. Sie blieb in dieser leichenhaften Starre liegen, auch als er rechts neben ihr stehen blieb und das Messer anschaute, dessen Griff sie noch immer umklammerte.
Cash bückte sich.
Er legte beide Hände zuerst auf ihre Arme. Der Körper fühlte sich zwar durch die Haut weich an, dennoch hatte er das Gefühl, ein Stück Holz zu umfassen. Das musste einfach mit dieser Bewegungslosigkeit zusammenhängen.
Er schüttelte sie leicht.
Wieder erlebte er keine Reaktion. Als hätte die Kugel ihr Leben ausgelöscht.
Cash Milton fasste jetzt härter zu. Mit einer Bewegung gelang es ihm, die Person auf den Rücken zu drehen, so dass er jetzt direkt in das Gesicht schaute.
Auch das hatte sich nicht verändert! Der Mund stand noch immer offen, und die beiden Vampirzähne schimmerten hell. Ihre Spitzen schauten unter der Oberlippe hervor.
Sein Blick glitt tiefer, bis er den Bereich der Brust erreicht hatte und sich dort festhakte.
Da sah er die Einschusswunde!
Ein Loch in der Kleidung, ein Loch im Körper. An zahlreichen Stellen war er blutverschmiert, nur nicht dort, wo ihn die Kugel erwischt hatte.
Da war kein Blut aus der Wunde getreten, was ihn wunderte.
Das hier konnte kein Mensch sein.
Oder doch?
Waren die Zähne echt? War die Leichenstarre echt? Oder wurde er nur an der Nase herumgeführt?
Er beugte sich tiefer. Es gab kein Halten mehr, auch kein Nachdenken. Cash wollte es wissen.
Und dann der Schock!
Er befand sich noch in der Bewegung, als die »Leiche« lebendig wurde. Ihr Oberkörper schnellte plötzlich hoch. Cash Milton sah nicht, ob sich die Waffe auch bewegte, er bekam den Treffer von einer ganz anderen Seite.
Der Kopf dieser Person traf seine Stirn.
Es war ein wuchtiger und auch brutaler Treffer, der ihn völlig unvorbereitet erwischte. Ein irrsinniger Schmerz zuckte durch seinen Schädel, als wollte er den Kopf sprengen.
Cash Milton torkelte zurück. Die Sicht war ihm genommen, denn der scharfe Schmerz hatte Tränen in seine Augen getrieben. Der Blick wurde verschwommen, die kleine Welt hier unten verschwand unter dem feuchten Schleier.
Aber sein Gehör funktionierte. Er orientierte sich anhand der Geräusche, und die redeten schon eine deutliche Sprache. Die Frau war dabei, sich zu erheben. Typische Laute entstanden. Das Schleifen und Kratzen auf dem glatten Boden, hinzu kam das satte und irgendwie tiefe Brummen, als wäre für sie alles okay.
Mit der linken Hand wischte er über die Augen. Cash musste sich zusammenreißen. Er schoss auch nicht, weil er noch kein Ziel sah. Aber der Blick klärte sich, und er sah sie.
Sie tauchte auf, als hätte sie zuvor einen Vorhang zur Seite gezogen. Eine Hexe aus dem Märchen hätte kaum schrecklicher aussehen können als diese blutverschmierte Gestalt.
Und die hatte das Messer.
Aus der Bewegung heraus stieß sie zu. Sie hätte Cash Milton zumindest in der Brust, wenn nicht im Hals getroffen, aber der Mann schaffte es, sich zur Seite zu drehen. Es war mehr aus der Not geboren. Er dachte sich dabei nichts mehr, und dann fuhr das heißgemachte Eisen in seine rechte Schulter hinein.
Es war kein Eisen, es war die Klinge des Taschenmessers, die sich durch die Haut und in das Fleisch hineingebohrt hatte. Es kam ihm tatsächlich vor, wie von einem heißen Stück Metall erwischt worden zu sein. Er schrie nicht einmal, aber er stieß beide Arme vor, auch den mit der Waffe, und er drückte dabei ab.
Cash Milton war nicht sicher, ob die Kugel auch getroffen hatte. Sein Sichtfeld sah noch immer vernebelt aus, aber es erfolgte kein zweiter Angriff.
Ja, die Kugel hatte die Gestalt erwischt. Sie bewegte sich mit unsicheren Schritten zurück. Das zweite Kugelloch befand sich in Bauchhöhe, doch auch dort strömte kein Blut hervor. Es gab kein neues. Das alte war mittlerweile verkrustet.
Sie ging zurück. Sie fauchte ihn an. Sie schüttelte auch den Kopf, erreichte die Tür und riss sie auf.
Cash Milton wollte noch einmal schießen. Es dauerte zu lange. Bevor er abdrückte, war das Ziel hinter der Tür im kahlen Betongang verschwunden, und Milton war sicher, dass er diese Unperson so schnell nicht wiedersehen würde.
Für sein Leben gern
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