1163 - Invasion der Fairy Queens
Schwarzen Loch, was ist Liebe?
Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß er die Frage laut ausgesprochen haben mußte, denn wie auf ein Stichwort sagte der Androide: „Liebe ist die Geißel des Lebens.
Wer von ihr getroffen wird, ist nicht mehr der, der er einst war. Wen sie verschont, wird seines Lebens nicht froh. Es ist eine ausweglose Situation. Es ist die Hölle."
Der Gleiter verlor an Höhe und steuerte in einem weiten Bogen auf den Turm des Psychohistorischen Instituts zu. Die Parkanlagen rings um das Gebäude waren verwaist.
„Hölle?" echote Lisovich geistesabwesend. „Was ist das?"
„Der Ort der Verdammnis." Hirni wackelte mit dem Kopf. „Der Ort, der auf uns alle wartet."
„Das ist mir zu pessimistisch", erwiderte Lisovich. „Große Milchstraße, fällt dir denn nicht einmal etwas Vergnügliches ein?"
„Nein", sagte der Androide.
Lisovich fluchte, aber da landete der Gleiter schon, und er mußte sich nun auf andere Dinge konzentrieren. Er zog seinen Paralysator, überprüfte die Ladung und entsicherte ihn. Dann sah er zur Seite. „Bereit für das Experiment?"
„Es wird mißlingen", prophezeite Hirni.
Der alte Mann schnitt eine Grimasse. „Ich wüßte nicht, was ich ohne dich anfangen sollte", sagte er. „Du hast so eine unnachahmliche Art, mir Mut zu machen."
Sie stiegen aus. Der Gleiter war auf dem östlichen Landefeld des Instituts niedergegangen, der dem Verwaltungsstab und den Dozenten vorbehalten war. Etwa zwei Dutzend Gleiter, Schweber oder bodengebundene Zubringerfahrzeuge standen verlassen auf der großen Fläche. Lisovich erkannte einige der Maschinen; dort war Cassio Dolunders pfeilförmiger Stratojet mit dem Konterfei Sigmund Freuds auf beiden Seiten. Nicht weit entfernt entdeckte er Blars zerbeulten Schweber, der nach seinem Zustand zu urteilen noch aus den Tagen der Dritten Macht stammte. Und am Rand der Landefläche warteten die raupenförmigen, rundumverglasten Zubringerfahrzeuge, bereit, die Computertechniker des Instituts zur nächsten Pneumobahnstation zu transportieren.
Demnach, dachte Lisovich, müßten sich zwanzig bis dreißig Personen im Institut aufhalten. Und ebenso viele Fairy Queens. Genug Material für das Experiment.
Er winkte dem Androiden zu und näherte sich dem Osteingang. Seine ID-Karte öffnete ihm die Tür, und er betrat das Foyer. Der Raum war groß, hoch und besaß eine Kuppeldecke, die ein Hologenerator in einen irdischen Nachthimmel verwandelt hatte. Die gelbe, narbige Scheibe des Mondes und die glitzernden Fixsterne.
Es tat gut, nach so langer Zeit wieder einmal Sterne zu sehen - auch wenn es sich bei ihnen nur um Hologramme handelte.
Lisovich ignorierte die vierfarbigen elektronischen Hinweistafeln, die Antigravschächte in der Mitte der Halle, die übliche Möblierung aus Sesselgruppen und Zierpflanzen und ging zielbewußt zum AG-Lift im Hintergrund des Foyers, der der Hausverwaltung vorbehalten war.
Vor dem Schacht lag ein Mann.
Lisovich stockte mitten im Schritt und stürzte dann auf den Mahn zu. Ilknat Blinat, der Dozent für Präkosmische Sozialpsychologie!
Blinat war ein schmaler, knochiger Mann mit karmesinroter Spiralhaarfrisur, die den Eindruck erweckte, als hätte er sich bemalte Bettfedern auf die Kopfhaut geklebt. Wie immer trug er eine sackähnliche Robe, auf die ein als Armband getarnter Hologenerator die Niagara-Fälle projizierte. Von seinen Schultern ergossen sich gischtsprühende Wassermassen, stürzten bis zum Knöchelsaum und verschwanden abrupt. Aber der Sturz der Fluten erfolgte in Zeitlupe; ein Zeichen dafür, daß die Energiezelle des Hologenerators erschöpft war.
Blinat rührte sich nicht. Sein ohnehin hageres Gesicht war eingefallen und blaß. Er schien tot zu sein. Von seiner Fairy Queen gab es keine Spur.
„Verdammt", sagte Lisovich gepreßt.
Das also, dachte er grimmig, bringt die Liebe der Fairy Queens zustande. Sie tötet die Menschen. Und das ist Vishnas Ziel.
Vermutlich war Blinat an Hunger oder Erschöpfung gestorben; vielleicht auch an Kreislaufschwäche oder einem Herzinfarkt. Der Präkos-Sozialpsychologe war alt und hatte seit Monaten die längst fälligen Organtransplantationen hinausgeschoben. Lisovich kniete neben dem Toten nieder und berührte seine Stirn.
Die Haut war noch warm.
Also war Blinat nicht tot! Lisovich empfand Erleichterung. Er hatte den Hageren nicht sehr gut gekannt, aber die Vorstellung, ihn jetzt tot hier liegen zu sehen, hatte ihn erschüttert.
Aber wo war seine
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