1166 - Der Erschrecker
musst weg! durchfuhr es Cathy. Verflucht noch mal, du musst so schnell wie möglich weg!
Aber wohin?
Ihre Chancen waren sehr gering. Das sehr flache Gelände hier bot so gut wie keinen Schutz. Die einzige Möglichkeit war das Auto. Darin konnte sie sich verstecken. Oder auch darunter kriechen und abwarten, bis der grausame Spuk beendet war.
Sie konnte sich wieder bewegen, aber sie war zu schwach, um schon jetzt auf die Füße zu gelangen. Sie wollte jedoch fliehen, und deshalb bewegte sie sich auf allen vieren weiter.
Sie rutschte über den feuchten Boden hinweg. Sie schrammte an Steinen und Buckeln vorbei. Sie hörte sich keuchen und weinen zugleich. Dabei hatte sie immer die Sorge, im nächsten Augenblick von einem mächtigen Schatten erwischt und in die Höhe gerissen zu werden.
Sie hatte Glück.
Nichts von ihren Befürchtungen traf sie. Sie kam tatsächlich durch, und der Wagen rückte immer näher. Abgeschlossen war er nicht. Am Türgriff hangelte sich Cathy in die Höhe.
Schließlich zerrte sie die Tür auf und warf sich in den Wagen hinein. Mit dem Bauch zuerst fiel sie auf die beiden Vordersitze und drückte ihr Gesicht in das Polster.
So blieb sie liegen. Bei offener Tür und mit nach außen ragenden Beinen…
***
In fast 50 Jahren hatte es auf der Welt viele Entwicklungen gegeben. Auf allen möglichen Gebieten, und die meisten der Erfindungen sah ich persönlich als positiv an. Ob es sich dabei nun um die Fortschritte in der Medizin handelte, um gewisse Schritte in der Technik, die das Leben der Menschen erleichterten, und auch um das Internet, das besonders in den letzten fünf Jahren mit einer irrsinnigen Rasanz die Welt verändert hatte.
Auch Fahrräder waren von der positiven Entwicklung nicht verschont geblieben. Das bekam ich zu spüren, denn der gute Edwin Pritt hatte mir ein Rad überlassen, auf das der alte Ausdruck Drahtesel voll und ganz zutraf.
Es war eine Qual, damit zu fahren. Natürlich gab es keine Gangschaltung, dafür hätte die Kette mal geölt werden können. Ich wunderte mich sowieso, dass sie nicht absprang, und betete, dass dies auch in der nahen Zukunft so bleiben würde.
Eine Bremse gab es auch. Oder zwei, denn der Rücktritt funktionierte, was man von der Handbremse nicht sagen konnte. Bevor ich aufstieg, hatte ich zunächst den Staub vom Sattel geblasen, der auch schon bessere Zeiten erlebt hatte.
Bei jedem Treten quietschte der Drahtesel irgendwo auf, und ich kam mir vor wie ein Folterknecht, der sein Opfer immer wieder malträtierte.
Aber es ging voran. Auf der Straße besser als auf dem Gelände.
Licht gab es nicht. Die Lampe hing wie ein geknickter Geierkopf nach unten, und auch von der Klingel sah ich nicht den Kopf, sondern den Boden, weil sie sich gedreht hatte.
Egal, ich fuhr.
Und ich gewöhnte mich an das schaukelnde Etwas, dessen Räder nicht mehr alle Speichen besaßen.
Auf der Straße war ich allein. Ich wäre auch jede Wette eingegangen, keinem Auto mehr zu begegnen, denn im Jahre 1952 waren Fahrzeuge dieser Art ziemlich rar.
Mit Rädern waren auch keine Menschen unterwegs, und so sah ich den leichten Wind als meinen einzigen Begleiter an. Es war keine besonders dunkle Nacht, was mir wiederum entgegenkam. So war ich in der Lage, auch auf der Straße liegende Hindernisse zu erkennen.
Über mir hatte die Dunkelheit der Nacht endlich ihren großen Vorhang zugezogen.
Schwache Wolken zogen über den Himmel, und manchmal war der abnehmende Mond zu sehen. Immer nur für kurze Zeit, wie jemand, der sich schämte, sich öfter zu zeigen.
Mich begleitete das Zirpen von Grillen und das leise Säuseln des Windes.
Die Straße war mir bekannt, wenn auch in einem anderen Zustand. Ich musste nur den Weg finden, der mich zu dieser alten Pferdewechsel-Station brachte. Dann war alles in Ordnung.
Es war eine Möglichkeit, nicht mehr. Wenn etwas passierte, dann wohl in diesem magischen Zentrum. Zudem rechnete ich damit, durch den Einsatz meines Kreuzes noch etwas in die Wege leiten zu können. Aber das war mehr als ungewiss.
Ich war es gewohnt, mich umzuschauen. Das behielt ich auch hier bei. In meiner normalen Umgebung gab es kaum eine fremde Bewegung, abgesehen von einem Tier, das zur Seite huschte, weil es durch das Quietschen des alten Drahtesels erschreckt worden war.
Etwas ließ mich stutzig werden.
Es war der Blick in den Himmel gewesen, der dafür gesorgt hatte. Ich hängte mich in den Rücktritt, stoppte und schaute dorthin, wo mir die Bewegung
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