1166 - Der Erschrecker
würde dieses verfluchte Gespenst gar nicht zulassen.
Er rannte weg!
Der Schrei, den ihm seine Freundin nachschickte, interessierte ihn nicht. Jeder war sich selbst der Nächste, und das genau führte er hier auch vor. Was ging ihn Cathy an? Sie war für sich selbst verantwortlich.
Cathy konnte nichts mehr sagen. Sie war auch nicht fähig, sich zu erheben, dazu fühlte sie sich einfach zu schwach, und so blieb sie benommen auf der Decke knien.
Der Vampir kümmerte sich um den flüchtenden Hank. Er war nicht zum Auto gelaufen.
Dafür hatte er sich nach links gewandt. Dort würde er sehr bald die normale Straße erreichen, wo er besser laufen konnte als auf dem Acker.
Cathy blieb auf der Decke. Sie kam sich in ihrer Position vor wie eine Zuschauerin, und so bekam sie mit, wie der Vampir fast schwerfällig reagierte.
Es war der Schlag mit beiden Schwingen zugleich, der ihm zu einer Bewegung verhalf.
Seine Füße oder womit immer er auf dem Boden gestanden hatte, hoben plötzlich ab. Wenig später lag er fast waagerecht in der Luft. Da traf der Vergleich eines über den Boden hinwegschwebenden Rochens zu.
Die breiten Schwingen, der gestreckte Körper, der Kopf, der zwischen den Schwingen hervorschaute. Seine Flugbewegungen hinterließen in der Luft ein leises Fauchen, und mit zwei Schlägen seiner Schwingen war er dem Flüchtigen schon sehr nahe gekommen.
Hank rannte in den späten Abend hinein. Wie von Furien verfolgt und gepeitscht hetzte er über das Feld hinweg. Er schaute sich auch nicht um, und so war für ihn nichts von einem Verfolger zu sehen. Vielleicht hörte er ja das Brausen in der Luft. Zumindest hatte er etwas wahrgenommen, denn nach zwei weiteren schnellen Schritten warf er sich beim Laufen herum und drehte den Kopf.
Es war möglich, dass er schrie, aber sicher war Cathy sich nicht. Jedenfalls hätte er einen Grund gehabt, denn der Vampir hatte ihn erreicht und senkte sich wie ein gewaltiges Tuch auf ihn nieder. Es sah nicht so schlimm aus, nur die Flügel klappten an den Seiten zusammen, und da waren noch die beiden Hände, die zupackten und Hank mitten im Lauf wuchtig in die Höhe rissen.
Cathy Brixon sah zwei Beine, die sich zuckend in der Luft bewegten, ohne je den Kontakt mit dem Boden bekommen zu können. Die krallenartigen Hände hatten den jungen Mann in die Höhe gezerrt, und sie hielten ihn weiterhin fest, während das Ungeheuer in eine rechte Kurve flog und dann anstieg, wobei es sich auch noch drehte.
Cathy schaute es direkt an.
Es war unglaublich. Sie konnte es nach wie vor nicht glauben. Das Monster hatte ihren Freund mit seinen Krallenhänden gepackt und ihn so weit in die Höhe gerissen, dass sich Hanks Kopf in Höhe des verzerrten Totengesichts befand.
Hank wurde leicht herumgedreht. Leicht bewegten sich die Schwingen hin und her, wobei die Krallenhände die Bewegung nicht mitmachten. Sie sorgten dafür, dass der Kopf für den Blutbiss richtig zurechtgerückt wurde.
Dann ruckte der Kopf vor.
Es kam zum Biss - und zum anschließenden Festsaugen am Hals des jungen Mannes.
Cathy sah Hank zappeln. Er hing in den Klauen des Monstrums wie ein Fisch an der Angel. Es gab kein Entkommen mehr, der Vampir holte sich, was er brauchte.
Und er flog mit ihm weg. Nicht mehr als zwei Meter betrug seine Flughöhe. Als riesiger Schatten, der sich seine Beute geholt hatte, glitt er durch die Luft. Dabei hatte sich das Monstrum etwas zur linken Seite hingeneigt, sodass Cathy ein Grossteil der Sicht auf ihren Freund genommen wurde.
Die Beine sah sie noch, aber die bewegten sich auch nicht mehr. Wie ein Adler, der sich einen Hasen vom Feld geholt hatte, flog die Bestie davon.
Cathy konnte für ihren Freund nichts mehr tun. Sie kniete auf der Decke und war so starr, als wäre sie in dieser Haltung gestorben. Erst nach und nach erfasste sie, was da mit ihrem Freund passiert war. Sie ging davon aus, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen würde. Er war geholt worden, und zwar nicht von einem Menschen, sondern von einer regelrechten Horrorgestalt, die es auf der normalen Welt einfach nicht geben durfte, die es aber trotzdem gab.
Wäre sie jetzt angesprochen worden, sie hätte kein Wort hervorbringen können. Alles war anders geworden. In ihrem Leben hatte es einen Riss gegeben. Auch wenn diese schreckliche Gestalt in der Dunkelheit verschwunden war, Cathy rechnete damit, dass die Gefahr noch nicht vorüber war. Dieses fliegende Blutmonster würde zurückkehren und sich dann um sie kümmern.
Du
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