1166 - Der Erschrecker
aufgefallen war.
Unter den Wolken, über mir, am Himmel entlanghuschend. Das waren keine vom Wind getriebenen Wolkenfetzen. Was da entlangglitt, sah aus wie ein riesiger Schattenvogel, dessen Bewegungen mir zackig vorkamen, als wollte er mit seinen Schwingen die Wolken messerscharf durchtrennen.
Zu einem genaueren Hinschauen kam ich nicht mehr, denn plötzlich war das Wesen wieder verschwunden.
Ich wartete ab und dachte nach. Getäuscht hatte ich mich nicht. Da war etwas gewesen, das nicht in diesen normalen Rahmen hineinpasste. Ein Tier, ein Vogel?
So groß?
Jeder normale Mensch hätte es hingenommen, aber meine Gedanken drehten sich weiter.
Ich wusste sehr gut, dass es Wesen gab, die sich verwandeln konnten. Einmal waren sie ein Mensch, zum anderen Mal eine Fledermaus.
Genau das konnte dieser Schatten gewesen sein. Eine gewaltige Fledermaus. Überdimensional groß. Ein derartiges Wesen war mir nicht zum ersten Mal begegnet. Ich brauchte nur an Will Mallmann, alias Dracula II, zu denken. Er war praktisch der Prototyp eines mächtigen und verdammt gefährlichen Vampirs.
Und mit Vampiren hatte ich es in den letzten Tagen zu tun gehabt. Deshalb war es nicht ausgeschlossen, dass ich wieder auf einen meiner blutsaugenden »Freunde« stoßen würde.
Ich suchte noch den Himmel ab, aber diese Gestalt kehrte nicht mehr zurück. Leider hatte ich nicht feststellen können, in welche Richtung sie geflogen war, aber dieses Erscheinen war zugleich so etwas wie eine Warnung für mich gewesen.
Ich schwang mich wieder auf das alte Rad und setzte meinen Weg fort. Hätte ich eine Luftpumpe bei mir gehabt, ich hätte noch die Reifen aufgepumpt. Sie waren einfach zu weich, genau das bereitete mir beim Strampeln noch mehr Mühe.
Die Station hatte ihre Lage in den letzten 50 Jahren bestimmt nicht verändert, die Straße ebenfalls nicht, sie befand sich nur in einem schlechteren Zustand, und so musste ich immer wieder Zickzack fahren, um den Schlaglöchern auszuweichen. Natürlich blickte ich mich weiterhin um, schließlich rechnete ich mit einem erneuten Auftauchen dieses monsterhaften Gebildes, aber der Himmel blieb normal, wobei ich hin und wieder das Funkeln der Sterne sah.
Und einen Gegenstand auf dem Feld!
Rechts vor mir. Dort lag auch die Station, allerdings noch in der Dunkelheit verborgen.
Hier wuchsen keine Bäume, deshalb malte sich der Gegenstand auch ab.
Als ich ihn entdeckte, fuhr ich automatisch langsamer und hielt am Beginn eines schmalen Feldwegs an. Darauf zeichneten sich frische Reifenspuren ab. Sie konnten durchaus zu dem Fahrzeug gehören, das auf dem Feld stand.
Jemand war mit einem Auto auf das Feld gefahren. Der Wagen ähnelte einem Pickup. Er stand dort, als wäre er von aller Welt vergessen worden.
Das glaubte ich nicht. Mein Misstrauen war erwacht. Da das Fahren auf dem Boden zu mühsam war, schob ich das Rad in den Weg hinein und behielt dabei das Fahrzeug im Auge.
An ihm bewegte sich nichts. Auch in ihm nicht. Ich konnte mir nur keinen vernünftigen Grund vorstellen, weshalb man es dort abgestellt hatte. Es ging mich ja im Prinzip nichts an, dennoch rechnete ich damit, eine Überraschung zu erleben.
Ich brauchte nicht sehr weit zu gehen. Mir fiel eine Decke auf, die in der Nähe des Autos auf dem Boden lag. Neben der Decke lag eine Flasche. Ich sah auch Gläser und wusste, dass hier jemand ein nächtliches Picknick durchgezogen hatte.
Nur waren die Leute verschwunden. Es konnte sein, dass sie sich in das Fahrzeug zurückgezogen hatten, um den entsprechenden »Nachtisch« zu genießen, doch das wollte mir auch nicht gefallen. Diese Ruhe und Verlassenheit deutete auf etwas anderes hin und ließ das beklemmende Gefühl in mir noch stärker werden.
Man konnte über den alten Drahtesel sagen, was man wollte, eines aber war von Bedeutung. Es gab einen Ständer. Ich kickte ihn los und konnte das Rad abstellen.
Die letzten Schritte legte ich zu Fuß zurück. Dabei suchte ich die Umgebung ab und war zufrieden, dass ich nichts entdeckte, was mir gefährlich werden konnte.
Ich blieb neben dem Fahrzeug stehen. Zwei Gründe hatten für diesen Stopp gesorgt. Zum ersten waren es die beiden Füße, die aus der offenen Tür hervorragten und zum zweiten das leise Schluchzen und Weinen der jungen Frau oder des jungen Mädchens.
Das Geräusch beruhigte mich auch auf irgendeine Art und Weise. Wer weinte, der lebte auch, und nur das war im ersten Moment wichtig. Ich blieb neben den Füßen der schmalen
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