1166 - Der Erschrecker
Gestalt stehen, die nichts von der Veränderung mitbekommen hatte.
Behutsam sprach ich die junge Frau an. Ich fasste auch leicht gegen ihre Wade und flüsterte: »He, hören Sie mich?«
Anscheinend nicht, denn sie bewegte sich nicht. Das leise Weinen hörte nicht auf.
»Bitte, Sie brauchen…«
Weiter kam ich nicht, denn das Geräusch stoppte plötzlich. Ich hörte dann ihren stöhnenden Atem, und sehr langsam drehte sie sich quer über den beiden vorderen Sitzen liegend herum.
Ich ging etwas zurück, um ihr Platz zu lassen. Eine Hand fasste nach dem Rand des Lenkrads, dann richtete sich die Person auf. Ich sah, dass sie blonde Haare hatte und noch recht jung war. Kaum zwanzig.
Ich stand außerhalb des Wagens und zudem noch im Dunkeln. Ich war für sie fremd, und bekam mit, wie sie sich verkrampfte. Ich wollte sie auch nicht anleuchten. Sie lag im Dunkeln, denn die Innenbeleuchtung des Fahrzeugs funktionierte wohl nicht.
Sie schrie plötzlich auf und riss die Hände vor ihr Gesicht. Es waren keine lauten Schreie, und sie hielten auch nicht lange an. Ich hatte die rechte Hand der jungen Frau ergriffen und zog sie langsam in die Höhe.
Erst als sie vor dem Auto stand, verstummte das leise Jammern, und sie schaute mich aus zwei geweiteten Augen an. Trotz der Dunkelheit war zu sehen, dass sie geweint hatte, und sie zitterte am gesamten Leib.
»Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich werde Ihnen nichts tun. Ich will Ihnen helfen.«
»Helfen? Helfen?«, stieß sie hervor.
»Ja, helfen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es kann mir keiner helfen. Das geht nicht mehr. Wo ist Hank? Wo ist der Vogel? Mein Gott, er hat Hank mitgenommen…« Die Erinnerung ließ wieder das Entsetzen in ihr hochsteigen. Sie verkrampfte sich und ballte ihre Hände zu Fäusten, auch mich sah sie mit einem Blick an, der alles andere als vertrauensvoll war.
Ich wollte ihr eine Brücke bauen und stellte mich vor. »Ich heiße John Sinclair, und es ist eigentlich Zufall, dass ich Sie gefunden habe, Miss…«
»Zufall?«
»Ja.«
Sie hielt sich am oberen Rand der offenen Tür fest. Sie zitterte dabei und blickte sich scheu um. Auch den Himmel in der Nähe suchte sie ab. Mir war längst klar, nach wem sie suchte, aber sie sah das Wesen nicht und schien auch erleichtert zu sein. Sie stützte sich auf dem Rand der Tür ab.
»Er ist weg. Er ist geholt worden. Aus der Luft!« Stockend brachte sie die Sätze hervor.
Sie schloss die Augen und begann wieder zu weinen.
Viel mehr brauchte sie mir nicht zu sagen. Ich konnte mir gut vorstellen, was hier passiert war. Beide hatten in der Nacht ein Picknick durchgeführt und waren von dem blutgierigen Monster aus der Luft erwischt worden. Der typische Angriff einer verdammten Fledermaus, die satt werden wollte.
Ich wartete, bis die Tränen nicht mehr liefen und sagte dann: »Wollen Sie mir nicht sagen, was alles passiert ist?«
»Nein, ich will weg!«
»Ohne Hank?«
Da hatte ich einen wunden Punkt getroffen. Plötzlich brach es aus ihr hervor. Ich konnte gar nicht so schnell zuhören wie sie redete. Es strömte mir wie ein Wasserfall aus Worten entgegen, und so erfuhr ich auch ihren Namen wie nebenbei. Sie hieß Cathy Brixon. Hank Taylor war ihr Freund. Zusammen hatten sie sich in der Nacht ein paar schöne Stunden machen wollen. Dazu war es nicht mehr gekommen, weil plötzlich dieser Monstervogel aufgetaucht war und Hank Taylor entführt hatte.
Cathy sah mich als Rettungsanker an, denn sie klammerte sich plötzlich bei mir fest. »Das ist alles keine Spinnerei«, flüsterte sie mir zu. »Das habe ich erlebt. Sie dürfen mich nicht für verrückt halten. Er ist wirklich weg.«
»Ja, ich weiß.«
»Vielleicht ist er auch tot.«
»Das möchte ich nicht hoffen.« Ich hatte es nur gesagt, um ihr Mut zu machen. Tatsächlich dachte ich anders darüber. Er war nicht unbedingt tot, er hatte nur den verdammten Gesetzen der Finsternis gehorchen müssen. Das konnte schlimmer als der Tod sein.
Sie stand vor mir mit hängenden Armen und einem unwahrscheinlich traurigen Gesicht.
Dabei schüttelte sie auch den Kopf, zog immer wieder die Nase hoch und sah aus wie jemand, der unbedingt getröstet werden musste.
Ich streichelte ihr über die Wange. »Ich denke, dass wir uns um Hank kümmern werden.«
»Wollen Sie ihn suchen?«
»Bestimmt.«
»Aber dieser Vogel hat ihn sich geschnappt. Es gibt keine Chance, ihn zu finden.«
»Das denke ich nicht, Cathy. Ist das hier Hanks Auto?«
»Nein, das
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