117 - Der Zauberspiegel
immer allem zustimmten, wofür Tony war.
Immer mehr Hände wurden gehoben. Gegen Tony und Sheila komme ich nicht an, dachte Karen resigniert.
„Wer ist für Karens Vorschlag?"
Außer Karen hoben nur noch Arnold und Virgil die Hand.
„Die Spiegel werden sofort verkauft", sagte Tony und widmete sich wieder dem Essen.
Sheila atmete erleichtert auf. Ohne rechten Appetit aß sie zwei Scheiben Roastbeef. Lustlos stocherte sie im Salat herum und trank ein Glas Rotwein. Sie beteiligte sich kaum an der Unterhaltung, sondern musterte der Reihe nach die Mitglieder der Kommune. So sehr sie es früher genossen hatte, mit ihnen zusammen zu sein, so unangenehm war es ihr jetzt. Nicht mehr lange bin
ich
bei euch, dachte sie zufrieden; nur noch ganz kurze Zeit. .
Nach dem Essen verteilten sich die Mitglieder in den Aufenthaltsräumen.
Einige
setzten sich ins Fernsehzimmer, ein paar spielten Pool-Billard, doch der Großteil nahm im großen Aufenthaltsraum Platz.
Sheila setzte
sich
an die Dar und ließ sich von Virgil einen Martini mixen.
„Weshalb bist du eigentlich so darauf versessen, daß die Spiegel möglichst rasch verkauft werden, Sheila?" fragte Virgil und beugte sich vor.
Sheila suchte nach einer halbwegs überzeugenden Begründung.
„Spiegel sind leicht zerbrechlich", sagte sie lahm. „Außerdem haben wir keinen geeigneten Raum, wo wir sie aufbewahren können. Aber vor allem ist mir Bargeld, über das wir jederzeit verfügen können, lieber, als fünfzig Spiegel."
Virgil sah sie skeptisch an. „Seit wann bist gerade du so scharf aufs Geld?"
„Ich bin nicht scharf darauf', sagte Sheila.
„Na ja, ist ja auch egal", brummte Virgil. „Die Abstimmung ist zu deinen Gunsten ausgegangen." „Wenn es nach mir ginge, dann würden wir alle Spiegel verkaufen", sagte Tom laut. Er schob sich die verrutschte Brille zurecht und blickte Sheila lauernd an.
„Und weshalb, wenn ich fragen darf?"
„Du darfst", sagte Tom gnädig. „Irgend etwas stimmt mit den Spiegeln nicht."
„Das mußt du mir näher erklären."
„Mir fiel mein Spiegel herunter. Er krachte auf das Waschbecken. Ich erwartete, daß er in tausend Stücke zerbrechen würde. Doch ich hatte mich getäuscht. Nicht einmal ein Sprung war zu sehen. Daraufhin sah ich mir den Spiegel genauer an. Ich versuchte ihn aus dem Rahmen zu bekommen, doch es gelang mir nicht. Ich benützte ein scharfes Messer und rutschte ein paarmal ab, doch die Spiegelfläche bekam nicht einmal einen Kratzer ab."
„Was ist so sonderbar daran?" wunderte sich Sheila.
„Na hör mal!" sagte Tom entrüstet. „Behandle mal einen gewöhnlichen Spiegel so, und du wirst nur Trümmer in der Hand haben. Aber das ist nicht alles. Ich sah mich im Spiegel als Tod."
„Wie war das?" fragte Tony keuchend.
„Ihr habt richtig gehört", sprach Tom weiter. „Ich sah nicht mich im Spiegel, sondern einen Kerl, der wie Gevatter Tod aussah. Dieser Kerl trug meine Kleider, hatte aber einen Totenschädel und Knochenhände, und der Körper war nur ein Skelett."
„Du hast eine lebhafte Fantasie", spottete Sheila.
„Erinnere dich daran, Sheila, daß ich mich in meinem Spiegel als Wolfsmensch gesehen habe!" „Und ich sah das rote Monster!" rief Donna.
„Ihr spinnt alle", sagte Sheila verächtlich.
„Und was ist das?" kreischte Tony . Er sprang vom Hocker und streckte Sheila seine Hände entgegen, die sich in behaarte Klauen mit messerscharfen Krallen verwandelt hatten. „Ich werde zu einem Monster. Und daran ist der verfluchte Spiegel schuld, der in meinem Zimmer hängt."
Jetzt schrien alle erregt durcheinander.
„So beruhigt euch doch!" versuchte Sheila die Schreienden zu besänftigen.
Tony stand noch immer breitbeinig vor Sheila und fuchtelte mit seinen gewaltigen Pranken vor ihrem Gesicht herum.
„Seid still!" schrie Tony und blickte Sheila böse an.
Endlich hörte die Schreierei auf..
„Holt die anderen her!" sagte Tony befehlend. „Alle sollen dabei sein, wenn uns Sheila erzählt, was mit den Spiegeln los ist."
„Du bist verrückt!" kreischte Sheila. Ihre. Augen funkelten böse. „Übergeschnappt! Ja, das bist du." Tony preßte die Lippen zusammen, und seine Kiefer arbeiteten.
Als sich alle um die Bar versammelt hatten, trat Tony einen Schritt zurück und hob seine Arme hoch.
„Seht euch meine Hände an!" brüllte er. „Es sind die Hände eines Monsters."
Aufgeregtes Getuschel war zu hören.
.,Tom und Donna haben in ihren Spiegeln unheimliche Geschöpfe gesehen. Ich
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