117 - Der Zauberspiegel
verkrallte sich stärker in den Schultern des Detektivs. Der Blick des Ungeheuers wurde trübe. Das Gesicht schien plötzlich zu flimmern. Der Griff der Krallen lockerte sich.
Parandowski stieß die Pranken zur Seite und trat keuchend einen Schritt zurück.
Das Monster preßte beide Pranken an die eigene Brust. Zwischen den Krallen rann Blut hervor. Es ging in die Knie, schlug mit dem Kopf gegen die Wand und brach zusammen.
„Gut gemacht, Parandowski", sagte Stockwell. „Das Monster ist tot."
Zwei Polizisten stürmten mit gezogenen Pistolen in die Spielzeugabteilung.
Vor dem toten Monster blieben sie stehen und steckten die Waffen ein.
„Das Monster verändert sich!" rief Stockwell überrascht aus.
Das Gesicht flimmerte stärker. Für einen Augenblick war es nicht mehr zu sehen.
„Das kann es nicht geben", flüsterte Parandowski.
Ungläubig starrte er den toten Mann an, der vor ihnen lag. Vom Monster war nichts mehr zu sehen. Der Tote war ein etwa siebzig Jahre alter Mann, dessen Haar schneeweiß war. Das Gesicht war verzerrt, die Augen weit aufgerissen.
„Wo ist das Monster?" stammelte der Direktor.
„Das Monster hat sich in einen normalen Menschen verwandelt", sagte einer der Polizisten. „Ich rufe die Mordkommission."
Der Detektiv kümmerte sich um die schwerverletzte Frau, die aus unzähligen Wunden blutete.
„Gott sei Dank haben wir die Fernsehaufzeichnung!" sagte der Detektiv. „Sonst würde uns wohl niemand glauben, daß dieser Weißhaarige das grüngesichtige Monster war."
Kirn Langford kam jährlich einmal aus Boston nach New York. Es war immer im November. Sie blieb vierzehn Tage bei ihrer Schwester, die am 10. November ihren fünfzigsten Geburtstag feierte. Kim Langford genoß jedes Jahr ihren Aufenthalt in New York. Tagsüber trieb sie sich in den Antiquitätengeschäften in der Second und Third Avenue an den 40er und 50er Straßen herum, immer auf der Suche nach einer preisgünstigen Kostbarkeit. Sie war sechsundvierzig Jahre alt, sah aber wesentlich jünger aus. Ihr Mann verdiente so viel, daß sie nicht arbeiten mußte, und ihre zwei Söhne waren erwachsen und hatten eigene Familien.
Das Wetter war wenig einladend. Es regnete den ganzen Tag und es war kalt geworden. Doch auch das schlechte Wetter konnte Kims gute Laune nicht trüben.
Es war kurz nach vier Uhr, als sie vor einem Antiquitätengeschäft in der Third Avenue stehenblieb. Vergangenes Jahr hatte sie hier einen kostbaren Fayence-Wasserkrug gekauft, der erstaunlich billig gewesen war. Ein befreundeter Händler hätte ihr in Boston sofort den doppelten Preis dafür gezahlt. In der kleinen Auslage lagen nur einige alte Waffen, Münzen und Statuetten nichts Besonderes.
Kim betrat den Laden, und eine Glocke bimmelte leise. Neugierig blickte sie sich um. Der Laden war voll mit Kostbarkeiten.
Schlurfende Schritte waren zu hören. Ein wohlbeleibter Mann kam auf sie zu. Er trug einen alten Anzug mit Ärmelschonern. Sein Gesicht war aufgedunsen, und er trug eine randlose Brille, die auf seiner Nasenspitze saß.
Er blinzelte sie an, lächelte breit und verbeugte sich.
„Guten Tag, Mrs. Langford!" begrüßte er sie.
„Sie erinnern sich noch an mich?" fragte Kim überrascht.
„Ich erinnere mich an jeden Kunden, Mrs. Langford. Sie haben vergangenes Jahr einen Wasserkrug aus Nevers gekauft."
„Stimmt, Mr. Alt…"
„Altshuler. Samuel Altshuler. Woran sind Sie diesmal interessiert, Mrs. Langford?"
Verwirrt blickte sie ihn an. „An nichts bestimmtes."
„Hier habe ich etwas besonders Hübsches", sagte Altshuler und griff nach einer Silberterrine. „Nach einem Entwurf von Juste-Aurele Meissonier gefertigt."
Seine Stimme klang andächtig.
Kim schüttelte langsam den Kopf, und der Antiquitätenhändler stellte die Terrine auf einen kleinen Tisch.
„Wie gefallen Ihnen diese Meißener Figuren? Beachten Sie die kunstvoll ausgeführten Blätter und Stengel!"
„Nein, das ist auch nichts für mich."
Sie blickte sich suchend um. Eine Kartelluhr mit Schlagwerk gefiel ihr sehr.
„Die Uhr gefällt Ihnen, nicht wahr?"
Kim nickte.
„Gut ausgeprägter Rokokostil. Die Symbolik ist aber etwas unklar. Die kleine Gestalt oberhalb der Uhr ist Eros, der auf die hingestreckte Figur der Zeit blickte, die sich unterhalb der Uhr befindet." „Was kostet die Uhr?"
„Zweihundertfünfzig Dollar."
Kopfschüttelnd ging sie weiter. Sie war nicht bereit, für eine Uhr so viel Geld auszugeben. Ihr Blick fiel auf einen kleinen
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