1173 - Der irre Doc
jetzt nur als Fragmente vorhanden.
Alte Fassaden, renovierungsbedürftig. Häuser, die vor langer Zeit mal schön gewesen waren und jetzt ihr schmutzigstes Gesicht zeigten. Keine Vorzeigegegend, in der es in der Nacht auch recht dunkel war, denn die wenigen Lichter der Laternen waren nur eine Farce. Heller war es hinter den Fenstern der Häuser. Da lebten Menschen, die bei diesem Wetter nicht ins Bett gingen, weil die Schwüle sie einfach nicht schlafen ließ.
Vernon Walters wollte beschleunigen, als er wieder die fremde Stimme vernahm. »Nicht so schnell. Fahr links ran. Dort hältst du an und stellst den Motor ab!«
Walters schluckte. Er wusste nicht, was er von diesem Vorschlag halten sollte. Jedenfalls nichts Gutes, das stand für ihn fest, aber er gehorchte. Als der Motor nicht mehr lief, da hörte er seinen Herzschlag, der recht laut pochte. Jeder Schlag drückte neue Angst in ihm hoch. Er hielt den Mund offen und lauschte seinen heftigen Atemzügen. Der Speichel schmeckte bitter, als wäre die Galle fast bis in die Kehle gewandert. Wie eine Statue hockte er auf dem Sitz, beide Hände gegen das Steuer gelegt, auf dessen Kunststoff sich sein Schweiß abmalte.
Von allein redete er nicht. Es hätte keinen Sinn gehabt. Er musste warten, bis sich der andere meldete, aber der ließ sich Zeit. Im Innenspiegel war er nicht zu sehen, aber wenn Walters auf seine rechte Schulter schielte, da sah er dort die helle weiße Hand liegen, deren Finger gekrümmt waren und sich praktisch bei ihm mit ihren Enden festgehakt hatten.
Es war eine schmale Hand, und sie wurde von einem weißlichen Gummihandschuh verdeckt. Das Material spannte sich sehr. Es war nicht schwer, die Hand darunter auszumachen. Normal war sie nicht. Die gehörte keinem Menschen, diese Hand war eine Klaue ohne Haut und Fleisch. Sie bestand aus Knochen.
Etwas näherte sich ihm von hinten. Er sah es nicht. Walters spürte es nur. Dieses Gefühl sorgte bei ihm für einen Gänsehaut, die sich auf seinen Schweißfilm legte. Er verkrampfte sich und konnte sich nur mit großer Mühe beherrschen. Am liebsten wäre er aus dem Wagen gesprungen und weggelaufen, doch dazu gehörte ein gewisser Mut, und den hatte er nun mal nicht. Er war Realist genug, um sich einzugestehen, dass die andere Seite stärker war als er.
Sie war nicht menschlich. Sie war nicht zu kontrollieren und auch nicht zu begreifen. Wie habe ich so vermessen sein können, um auch nur daran zu denken, den anderen auszutricksen, dachte er.
Die Nähe ließ ihn frösteln und schwitzen zugleich. Die Hand blieb auf seiner Schulter liegen. Sie verstärkte den Druck noch um einiges. So zog sich die andere Gestalt in seine Nähe, und etwas schob sich vom Nacken her um seinen Hals herum. Es berührte seine Haut wie die scharfe Kante eines Grashalms.
Wenn es das mal gewesen wäre. Mit einem Halm gab sich die Gestalt nicht zufrieden. Denn nur Sekunden später berührte die scharfe Klinge eines Skalpells seine Kehle.
Walters öffnete den Mund, ohne jedoch zu schreien oder auch nur zu atmen. Er hielt die Luft an.
Aus der Tiefe der Kehle löste sich ein leises Stöhnen.
Dennoch bewegte er die Augen, um in den Innenspiegel schauen zu können.
Ein Gesicht. Ein Kopf, über den eine Mütze gestülpt war, die allerdings nur bis zur Mitte der Stirn reichte. Es war mehr eine Kappe ohne Schirm. Mützen wie diese trugen die Ärzte, wenn sie operierten. Das Gesicht darunter malte sich alles andere als deutlich ab. Walters nahm praktisch nur die Farbe der Haut wahr, aber die war so bleich und auch leicht gelblich, wie es bei einem normalen Menschen kaum der Fall war.
Hinter ihm hockte kein normaler Mensch, sondern eine Gestalt oder eine Existenz, die es eigentlich nicht geben durfte. Sie passte mehr in den Bereich des Horrors hinein.
Walters blieb sehr ruhig sitzen. Eine falsche Bewegung nur, dann würde das Skalpell seine Kehle durchtrennen.
Dann hörte er wieder die Stimme. Sie zischte hoch und sirrend in sein rechtes Ohr. »Du hast mich enttäuscht, Vernon, du hast mich sogar schwer enttäuscht. Ich dachte, in dir einen Partner gefunden zu haben, aber das war wohl falsch. Schade…«
Walters wusste, dass er jetzt etwas sagen musste. Schon aus eigenem Interesse, und auch der andere schien darauf zu warten. Die behandschuhte Klaue mit dem Skalpell zitterte nicht. Die Gestalt hinter ihm hatte sich voll und ganz unter Kontrolle.
»Es ging nicht mehr!«, brachte er hervor.
»Was ging nicht?«
»So
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