1174 - Blut für Ludmilla
Dass er dabei Blut in seinem Bart verteilte, störte ihn nicht weiter. »Ich möchte was trinken«, sagte er.
»Soll ich es Ihnen holen?«
»Nein, das mache ich selbst. Wenn Sie so gut wären und mir jetzt hochhelfen?«
Das tat ich gern. Ich reichte ihm die Hand und zog ihn aus dem Stuhl. Er blieb stehen, drückte den Rücken durch, atmete tief ein und fuhr mit einer Hand über die rechte Stirnseite hinweg. Dort war eine bläulich schimmernde kleine Beule zu sehen, weil er da auch von einem Schlag getroffen worden war.
Beim Gehen legte er mir eine Hand auf die Schulter und bedankte sich. Danach verschwand er im vorderen Raum. Ich wartete auf ihn. Er kam mit einer Flasche Wasser und zwei Gläsern zurück. In der Hosentasche steckte eine flache Flasche ohne Etikett. So etwas kannte ich von Marek, auch er trank am liebsten den Selbstgebrannten. Oft war es ein Zeug, das dem Trinkenden die Zehennägel anhob.
»Du auch?«
Ich wollte nicht unhöflich sein und stimmte zu.
Er füllte die beiden Gläser. Der Geruch von reifen Birnen breitete sich aus. Gegen Obst kann man nichts sagen, auch wenn es flüssig ist.
»Er wird uns beiden gut tun«, sagte der Pope mit fester Stimme. Dabei drehte er sich nicht mir zu, sondern einer Ikone, die an der Wand hing. Sie zeigte einen Heiligen in einem prächtigen Gewand und einer goldenen Mütze. Der Mann hielt ein griechisches Kreuz in der Hand, das er dem Betrachter entgegenstreckte.
Der Schnaps war schlimm. Er brannte in der Kehle, aber ich schluckte die Birne tapfer herunter. Der Pope hatte den Drink genossen. Er legte den Kopf zurück, schloss die Augen und drehte sich danach wieder um.
Diesmal schauten wir uns an. »Frantisek Marek ist ein wunderbarer Mensch«, erklärte er mir.
»Da sagen Sie mir nichts Neues. Ich kenne ihn schon seit einigen Jahren.«
Radu lächelte. »Stimmt. Er hat es mir erzählt.«
»Oh. Haben Sie einen so guten Kontakt zu ihm gehabt?«
Er schüttelte den Kopf und strich dabei durch seinen Bart. Dann trank er Wasser. »Nicht so direkt«, erklärte er und schaute zu, wie ich mein mit Wasser gefülltes Glas ebenfalls zum Mund führte. »Aber es ist eine längere Fahrt bis ins Krankenhaus gewesen. Marek erwachte zwischendurch immer, und er hatte auch zu mir Vertrauen. Er berichtete, welcher Berufung er nachging. Und er wusste auch, dass ich hier in Ogonin so ziemlich auf verlorenem Posten stehe. Das konnte er ganz und gar nicht haben. Durch die Anwesenheit der Ludmilla sah er auch mich in Gefahr. Deshalb gab er mir etwas mit, das mich zumindest vor diesen Untoten warnen sollte.«
»Seinen Pfahl?«
»Nein, um Himmels willen, den gibt er nicht aus der Hand. Es ist etwas anderes. Für mich ein wenig rätselhaft. Ich kann mir vorstellen, dass Sie mehr damit anfangen können.«
Noch wusste ich nichts, bis der Pope in die Tasche seiner Hose griff und einen Gegenstand hervorholte, den ich sehr wohl kannte. Es war ein grauer ovaler Stein, der an einer Kette hing.
Frantisek Marek musste Radu schon großes Vertrauen entgegengesetzt haben, denn er hatte ihm das Vampirpendel überlassen…
***
Ich sagte kein einziges Wort, doch ich bekam große Augen. An dieser Reaktion sah der Pope, dass ich das Pendel kannte, und er lächelte. »Warum sind Sie so überrascht?«
»Über das Vertrauen, das Ihnen mein Freund Marek entgegenbrachte.«
Radu hob die Schultern. »Manchmal braucht man einen Menschen nur anzuschauen, um zu wissen, woran man ist. Mir erging es ja auch so. Dabei kenne ich nur Ihren Vornamen. Mehr hat Marek nicht gesagt.«
»Ich heiße John Sinclair.«
Sein Nicken sah aus, als würde ihm der Name einiges sagen, was natürlich nicht der Fall war.
Das Pendel schwang in seiner Hand leicht hin und her. Es hatte eine Geschichte. Es war sehr alt und stammte noch aus den Zeiten des Vlad Dracul. Damals hatte es eine Zigeunerin namens Zuniat gegeben, die dem Grafen gedient hatte und auch als Schattenfrau bezeichnet worden war. Auch sie war ein Vampir. Man verbrannte sie. Aus ihrer Asche entstand das Pendel. Auf der Vorderseite zeigte es Zuniats Gesicht. Da stand der Mund offen, und aus dem Oberkiefer ragten die beiden langen Vampirzähne sehr sichtbar hervor.
Das Pendel war ein untrüglicher Indikator. Sobald es in die Nähe eines Vampirs geriet, schlug es aus, und kam es noch näher an einen Blutsauger heran, dann glühten die Augen in einem düsteren Rot auf. Marek hatte es damals von dem blinden Zigeuner Jurek bekommen und hütete es normalerweise wie
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